: „Aufwühlende Vorgänge“
VORTRAG Wie Museen Kunst aufspüren, die im Nationalsozialismus Juden geraubt wurde
■ 46, Kunsthistorikerin, leitet seit 2000 die Provenienzforschung an der Hamburger Kunsthalle.
taz: Frau Haug, wie unbeliebt sind Sie in der Hamburger Kunsthalle?
Ute Haug: Ich bin sehr beliebt!
Immerhin ist es Ihr Job, Kunstwerken zu suchen, die zu Unrecht im Besitz der Kunsthalle sind…
Es geht nicht darum, der Sammlung etwas wegzunehmen: Wenn uns etwas nicht rechtmäßig gehört, kann es uns auch nicht weggenommen werden. Wir räumen sozusagen auf. Wir finden Informationen und erforschen Kontexte, die dann vermittelt werden können.
Aber es geht vor allem um Kunst, die im Nationalsozialismus aus jüdischem Besitz geraubt wurde?
Ich erforsche generell alle Kunstwerke auf ihre Herkunft. Der Schwerpunkt liegt auf Werken, die wir nach 1933 erworben haben – auch Werke, die wir in den 70er oder 80er Jahren gekauft haben, können belastet sein.
Wie gehen Sie dabei vor?
Mit Glück werde ich in den Inventarbüchern fündig. Leider haben wir nur noch wenige Zeitzeugen, dafür sind nun Archive zugänglich. Ich kann die Label auf der Rückseite des Kunstwerks anschauen oder materialtechnische Untersuchungen anstellen. Im Idealfall arbeiten alle Gewerke zusammen, oft scheitert das aber am Geld.
Was geschieht, wenn Sie ein geraubtes Werk finden?
Dann sucht man die Erben oder die Ansprechperson. Man schaut, ob bereits Restitutionen stattgefunden haben. Wir versuchen jedenfalls, ins Gespräch zu kommen und diejenigen zu finden, denen das Kulturgut rechtmäßig zusteht.
Das Kunstwerk wird zurückgegeben?
Ja, das entscheidet in letzter Instanz die Bürgerschaft. Wenn das Werk für die Sammlung wichtig ist, versuchen wir, es direkt wieder zurückzukaufen oder uns auf eine Dauerleihgabe zu einigen. Das wird gar nicht so breit kommuniziert.
Warum nicht?
Für die betroffenen Familien sind dies oft aufwühlende Vorgänge, daher die Diskretion.
Wie hoch schätzen Sie den Anteil geraubter Kunst in deutschen Museen?
Zahlen zu nennen, wäre unseriös, es ist wie ein Überraschungsei. Viele Sammlungen sind in dieser Hinsicht seit vielen Jahrzehnten nicht aufgearbeitet worden. In Hamburg war es bisher nicht so viel, es gibt Häuser mit mehr belastetem Material. Interview: jpb
20 Uhr, Haus der Wissenschaft