: Atomlager Hanau strahlt nicht mehr
Bundesamt für Strahlenschutz verabschiedet sich aus Hanau: neue Konzepte für Atom-Verwahrlager gesucht
BERLIN taz ■ Nach 25 Jahren hat sich das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) aus Hanau verabschiedet. „Zum Jahresende haben wir den Spaltstoffbunker aufgegeben“, sagt BfS-Präsident Wolfram König. Der Bunker diente den Aufsichtsbehörden in Bund und Ländern als „Staatliches Verwahrlager“.
Dieses „Verwahrlager“ war eine deutsche Besonderheit. Denn nur in der Bundesrepublik werden Atomkraftwerke privatwirtschaftlich betrieben. Im restlichen Europa ist es der Staat. „Hier hat die Bundesregierung in den 50er-Jahren auf privatwirtschaftliches Engagement gesetzt“, sagt BfS-Experte Michael Hoffmann. Dieser deutsche Sonderweg sorgte europaweit für Misstrauen. Die Deutschen suchten diese Ängste durch umfangreiche Staatskontrollen zu zerstreuen, die durch ebenso umfangreiche Sanktionsmittel untermauert werden sollten. Die „staatliche Verwahrung“ der Atombrennstoffe gilt als eine der schärfsten denkbaren Strafen. „Wenn ein Betreiber von Atomanlagen die Spielregeln grob verletzt, zieht ihm die Aufsichtsbehörde kurzerhand den Kernbrennstoff ein“, so Hoffmann.
Damit diese Drohung auch glaubhaft war, betrieb das Bundesamt für Strahlenschutz in Hanau ein „Staatliches Verwahrlager“. Illustre Brennstoffe lagerten hier – wie jene, die einst den Schnellen Brüter in Kalkar antreiben sollten. Dumm war nur, dass es für die Herstellung der Brennstoffe nie eine Genehmigung gab. Genauso wenig wie für den Schellen Brüter selbst.
In Hanau wurden auch jene Brennstoffe aufbewahrt, die Kohls Geheimdienstkoordinator Bernd Schmidbauer fast das Amt kosteten. 1994 waren per Linienmaschine 363 Gramm Plutonium von Moskau nach München geschmuggelt worden – was gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz verstieß. Kurz zuvor hatte Schmidbauer mit dem russischen Geheimdienst „Projekte zur Eindämmung des Atomschmuggels“ ausgearbeitet. Wollte Schmidbauer für Kohls Wahlkampf medienwirksam einen schnellen „Fahndungserfolg“ präsentieren?
Zuletzt lagerten vier Brennelemente der Universitäten Hamburg, Bremen, Darmstadt und München im „Staatlichen Verwahrlager“. Weil aber die ehemalige Atomanlage in Hanau zurückgebaut wird, musste jetzt der Bunker geräumt werden. „Die Brennelemente gingen an die Universität München, wo sie wieder aufbereitet werden“, erklärt BfS-Experte Hoffmann.
Hanau verfügt jetzt also über keinen atomaren Zündstoff mehr. Politischer lagert dagegen noch reichlich: Siemens gedachte Anfang der 80er-Jahre die alte Mischoxid-Brennelemente-Fabrik (MOX) durch eine neue zu ersetzen. Für die gab es aber nie eine Betriebsgenehmigung. Siemens baute die Technologie ab und lagerte sie in Hanau. Zuletzt wollte China 2004 Siemens die Anlage abkaufen – was am Widerstand der Grünen scheiterte. Eingefettet lagert die MOX-Anlage nun weiter in Kisten: Zumindest Siemens hofft, dass die jetzige Bundesregierung den Versand nach China doch noch genehmigt. Und was wird aus dem Straflager für Atomkonzerne? Hoffmann: „Wir erarbeiten neue Konzepte.“ NICK REIMER