Landung auf der Brotseite

Material und Form passen. Trotzdem springen Österreichs Skispringer bei der Vierschanzentournee hinterher. Trainer Alexander Pointner sucht Erklärungen im Nebulösen. „Es ist wie verhext“, sagt er

AUS INNSBRUCKKATHRIN ZEILMANN

Alexander Pointner findet sich sicher ziemlich lässig. An der Schanze trägt er stets dekorative Sonnenbrillen, auch wenn die Sonne nicht scheint. An seinem Ohr hat er moderne Kommunikationsgeräte angebracht, um mit Springern, Assistenten und Technikern schnell in Kontakt treten zu können. Pointner (35) ist Cheftrainer der österreichischen Skispringer und als solcher ein gefragter Mann während der Tournee. Leider muss er aber in dieser Saison Dinge erklären, die gar nicht cool sind.

Pointners Schützlinge haben sich bis zur Halbzeit der Tournee äußerst schwach präsentiert, Andreas Kofler ist als Zehnter in der Gesamtwertung bester Tournee-Teilnehmer. Aber Pointner fehlen dafür schlüssige Erklärungen, er verweist zunächst einmal darauf, dass ja vielleicht auch höhere Mächte im Spiel sein könnten: „Es ist wie verhext.“ Natürlich gibt sich der österreichische Boulevard mit dieser Ausrede nicht zufrieden. Düster schaue es aus, heißt es schicksalsschwer in der Kronen-Zeitung. Das Blatt Die Neue läutet das langsame Sterben der Tournee ein, weil bis vorgestern nur 6.000 Eintrittskarten für das Bergisel-Springen verkauft worden sind. Und für die rotweißroten Springer bleibe nur noch die Touristenklasse, während es sich die Spitzenflieger wie Janne Ahonen in der First Class bequem gemacht hätten, bemüht der Kurier Vergleiche aus der Reisebranche: Es ergießt sich eher Hohn und Spott denn lautstarke Kritik über Pointners Truppe.

Handfeste Gründe, die schuld sein könnten am Absturz von Thomas Morgenstern (19) oder des Routiniers Andreas Widhölzl, sind nicht zu hören. Das Schicksal habe ihnen übel mitgespielt, ist herauszuhören. „Im Grunde waren die Voraussetzungen so gut wie nie“, sagt Morgenstern. „Ich habe bessere Skier, mehr Sprungkraft und bin athletisch in Form.“ Widhölzl meint: „Die Leistungen im Training waren besser als die Jahre zuvor.“ Körper, Material und Training fallen bei der Ursachenforschung also aus. Die äußeren Umstände könnten eher schuld sein, findet man im österreichischen Lager. Der K.-o.-Modus habe die eigenen Springer klar benachteiligt, sagt Pointner. Und dass sich Widhölzl in Garmisch im Band der Bindung verhakt hatte und ins Trudeln geraten war, ist für den Trainer auch eine Laune des Schicksals: „Es läuft viel schief.“

Bleibt noch der Kopf, der im Skispringen von vielen Experten sogar als der wichtigste Körperteil erachtet wird. Allzu viel Denken ist schädlich im Skispringen, findet Morgenstern: „Wer denkt, verliert.“ Leider denke er angesichts seiner schlechten Resultate – die Tournee-Wertung weist ihn als 29. aus – viel zu viel. „Ich kenne solche Phasen auch. Ich will ehrlich gesagt gar nicht wissen, was jetzt bei ihm im Kopf rumgeht“, meint Andreas Kofler, Österreichs Bester.

Morgenstern gilt als begabtester Nachwuchsathlet im Weltcup. Er habe optimale körperliche Voraussetzungen und habe mit 19 schon ein hohes athletisches Niveau erreicht, sagt Skisprung-Direktor Toni Innauer. Er besitze das berühmte Fluggefühl und trainiere fleißig. Nun ist der Springer ratlos und der Trainer kann ihm anscheinend nicht helfen. Vielmehr setzt Pointner, der neuerdings eine Vorliebe für das Unerklärliche zu haben scheint, darauf, dass mit Zuversicht die Wende zum Besseren gelingen wird. „Irgendwann haben wir auch wieder das Glück und landen auf der Butterseite.“ Am besten soll sich das Glück schon heute einstellen, beim Springen in Innsbruck (RTL, 13.35 Uhr).

„Es gibt im Springen einen Heimvorteil“, versichert Ex-Springer Andreas Goldberger. Pointner wird das gerne glauben, schließlich übt man sich bei den Österreichern derzeit eher im Glauben denn im Wissen.