: „Nur die Galerie bietet diese Alchemie“
KUNST Am Freitag beginnt das Berliner Gallery Weekend. Ein Gespräch mit dem Organisator Cédric Aurelle über die ortsspezifische Risikofreude, über Websitegestaltung und die Vorzüge des Galerieraums
■ ist der Ideengeber für maßgebliche Projekte eines neuen deutsch-französischen Kunstaustausches wie etwa den Galerientausch „Paris – Berlin“ 2009 oder „Thermostat“, eine Kooperation von 24 Centres d’art und deutschen Kunstvereinen 2011.
INTERVIEW BRIGITTE WERNEBURG
taz: Herr Aurelle, Anfang dieses Monats konstatierte der New Yorker Kunstkritiker Jerry Saltz den Tod der Galerieausstellung, und am Ende des Monats findet nun in Berlin mit dem Gallery Weekend die Mega-Galerieausstellung statt. Wie geht das zusammen?
Cédric Aurelle: Der New Yorker Kunstbetrieb ist durch andere Modelle geprägt, die näher am Kunsthandel sind. Die Auktionshäuser spielen dort eine große Rolle. Das ist hier ganz anders. Berlin steht für ein Gegenmodell, das die Leute sehr schätzen. Wenn sie Zeit haben, mögen sie die Idee, Kunst im Kontext zu sehen.
Aber gewinnen die Gegenmodelle zu dieser Idee wie Onlinegalerie, Onlinemesse, -auktion und sogar schon -biennale nicht zunehmend Raum?
Das Gallery Weekend hat eine Website, und wenn Sie diese Website kennen, dann wissen Sie, dass sie auch ein Statement ist. Eine schlichte Liste der teilnehmenden Galerien und Künstler. Keine Bilder. Wir wollen die Leute einladen, wieder in die Räume zu gehen. Physisch vor Ort zu sein, sich zu treffen und mit den Leuten zu reden. Paradoxerweise helfen die Onlineaktivitäten, unser Profil zu schärfen.
Wie würden Sie dieses Profil beschreiben?
Unser Ehrgeiz ist es, ein Programm zu zeigen, das so reich und interessant ist, dass es international attraktiv bleibt. Im Fokus steht der Galerieraum. Das Gallery Weekend ist eine Einladung, in den Galerieraum zu gehen und sich die Zeit zu nehmen, die Kunst an dem Ort zu genießen, wo sie konzipiert, produziert und vermittelt wird. Nur die Galerie bietet diese Alchemie. Die Künstler zum Beispiel sind begeistert davon, an dem Wochenende teilzunehmen und dafür ein spezifisches Projekt zu entwickeln. Und die Galerien sind risikofreudig. Sie sind viel risikofreudiger als in Paris oder New York, weil der Finanzdruck nicht so hoch ist. Man kann sich Experimentelles leisten.
Sie kommen von außen, aus Paris, und können das beurteilen.
Ja, ich bin das erste Mal 2007 nach Berlin gekommen. Ich war dann viereinhalb Jahre für das hiesige Institut Français tätig, als Leiter des Bureau des arts plastiques. Ich war gerade ein Jahr in Paris zurück, als die Berliner Galeristen mich fragten, ob ich nicht das Gallery Weekend und die art berlin contemporary im Herbst betreuen möchte.
Darf man das als ein Statement für eine längerfristig gedachte Professionalisierung des Projekts betrachten?
Unbedingt. Beide Veranstaltungen werden jetzt über das ganze Jahr hinweg betreut. Das ist die Stärke Berlins. Dass man sich hier zusammentut. Das gelingt nur den Berliner Galerien. Egal ob sie sich mögen oder nicht, sie haben ein Interesse daran, gemeinsam zu arbeiten, zugunsten ihres Standorts. Daher findet man hier ein Modell, das es etablierten Galerien wie Nachwuchsgalerien erlaubt, sich auf dem gleichen Terrain zu bewegen. Jeder profitiert davon. Die etablierten Galerien sind die Zugpferde, und die Nachwuchsgalerien bringen das Neue.
Was sind die Themen, die den Galerien besonders am Herzen liegen?
Der Sammler ist natürlich das große Thema. Und unsere Gastfreundschaft. Von Beginn an kamen viele amerikanische Sammler und Kuratoren nach Berlin. Jetzt bemühen wir uns aktiv auch um die Kunstleute aus Südamerika. Wir laden gezielt rund 1.000 Sammler ein. Dazu kommen schätzungsweise 10.000 Leute, die Interesse am Gallery Weekend und der Kunst haben. Das sind nicht alles Sammler. Aber potenziell sind darunter noch mal 2.000 Käufer.
Wen möchten Sie unbedingt auf dem Gallery Weekend treffen?
George Clooney.
Und wen nicht?
Ganz klar, das schlechte Wetter. Wir zeigen tolle Ausstellungen, gute Kunst, aber dazu gehören auch das Frühlingsgefühl und die entspannte Stimmung in der Stadt, die es auf einer Messe nicht gibt, wo alles hektisch ist. Das ist der Charme Berlins.
Dieser Charme könnte leiden, weil die Stadt immer teurer wird. Eine Initiative fordert nun, dass die geplante City Tax zu 100 Prozent an die freie Kunstszene geht. Wie sehen Sie das?
Ich sehe, dass „Haben und Brauchen“ eine wichtige Frage stellt: Wer hat, wer braucht? Und ich denke, es braucht jeder etwas vom anderen. Das Schöne sind die Ergänzungen. Gut, der Markt ist stärker, er nimmt mehr Raum ein. Aber ohne den Nährboden einer lebendigen Kunst- und Kulturszene wird der Markt seinen Sinn verlieren. Die reiche Galerielandschaft in Berlin ist durch diesen Nährboden gerechtfertigt, dass das ganze Jahr über etwas passiert.