HEUTE IN DER ZEITUNG
: Nichtrauchen geheim

„Ja, lass doch das blöde Rauchen“

Eigentlich ging sie nur noch zu Fuß. Das hatte selbsttherapeutische Gründe, war aber auch eine Form der Selbstbestrafung „bei diesem Wetter“, die sich halbwegs angenehm anfühlte. Vor lauter Panik war sie durch die Prüfung gefallen. Weil sie das Auswendiglernen der Antworten auf die affigen Multiple-Choice-Fragen angewidert hatte, weil sie es schwachsinnig gefunden hatte, immer nur die lateinischen Begriffe verwenden zu dürfen, weil sie wusste, dass sie in dem Job niemals arbeiten würde und diese Ausbildung eigentlich auch nur angefangen hatte, um sich zu disziplinieren.

Der Weg zur Arbeit, in dem kleinen Schuhgeschäft, dauerte 45 Minuten. Eigentlich dauerte fast alles 45 Minuten. Manchmal zwanzig Minuten oder auch fast eine Stunde. Aber das ist ja so ähnlich. Es war sehr still wegen des Schnees, der schon seit ein paar Tagen fiel.

Verkatert rauchte ich ein paar Stunden nicht, wie ich es am Abend zuvor als eventuelle Handlungsoption angekündigt hatte. Die Zigaretten waren ohnehin alle. Ich hatte keine Lust, neue zu kaufen. Sie hatte mir in einer SMS mitgeteilt, dass sie der Fußweg wieder ernüchtert hatte, ich hatte geantwortet: „… und ich war so verkatert, dass ich jetzt dabei bin, tatsächlich nicht mehr zu rauchen.“ „Ja, lass doch das blöde Rauchen.“ – „Nein – Rauchen ist toll!! Mit dem Nichtrauchen fängt es an. Und irgendwann wählt man CDU. Aber ich rauch jetzt trotzdem extra nicht!“ – „Du würdest auch noch mit dem Krebs in der Lunge schreiben, dass es die tollste Sache von der Welt ist, was?“ – „Vielleicht. Ich versuche aber, mein Nichtrauchen geheim zu halten.“ – „Na warte, morgen steht es in der Zeitung.“

Verkatert hatte ich dann ein paar Stunden nicht geraucht. Und stattdessen irgendwann damit begonnen, die Stummel aus dem Papierkorb mit der Zigarettenspitze wegzumachen. DETLEF KUHLBRODT