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Archiv-Artikel

„Wir sind nicht Teil des Bürgerkriegs“

Die Bundesregierung will die Polizistenausbildung in Afghanistan ausdehnen – doch bisher hat Deutschland dabei versagt

LONDON taz | Die afghanische Polizei soll bis 2012 von heute 80.000 auf rund 110.000 aufgestockt werden. Über den Weg dorthin soll die Afghanistankonferenz am Donnerstag in London beraten. Die Bundesregierung hat am Dienstag die Erhöhung der Zahl deutscher Polizeiausbilder von 123 auf 200 versprochen. Auch soll die Zahl der deutschen Experten in der von Deutschland geführten europäischen Polizeimission Eupol von 45 auf 60 steigen. So will die Bundesregierung jährlich 5.000 Polizisten am Hindukusch ausbilden.

Deutschland ist beim Aufbau der afghanischen Polizei seit 2002 Führungsnation und hat bisher etwa 30.000 Polizisten ausgebildet. Doch wie die für Drogenbekämpfung verantwortlichen Briten und die für Justizaufbau zuständigen Italiener hat auch Deutschland „quantitativ und qualitativ versagt“, meint der grüne Bundestagsabgeordnete und frühere Leiter der UN-Mission in Afghanistan, Tom Koenigs. Er hält auch die jetzigen Zusagen für viel zu gering.

Weil in Deutschland Polizei überwiegend Sache der Länder ist, benötigt die Bundesregierung deren Kooperation. Doch Bayern etwa hat sich jahrelang gesträubt, überhaupt Polizisten zu entsenden. So war die Zahl der Ausbilder immer viel zu klein. Zugleich verlangte die sich verschlechternde Sicherheitslage in Afghanistan immer mehr Polizisten. Nicht wenige wechselten zudem bald Job oder Arbeitgeber und schlossen sich Milizen oder den besser zahlenden Taliban an. Da Polizisten leichtere Gegner sind als Soldaten, ist der Anteil der Getöteten in der Polizei besonders hoch. Um mehr ausbilden zu können, wurden die Polizeihilfe ab 2007 mittels Eupol europäisiert. Doch auch hier blieben die Ergebnisse mager.

Deutschland bildet die Polizisten ähnlich wie die in der Heimat benötigten Kommissare und Streifenbeamten aus, die nach rechtsstaatlichen Kriterien ermitteln, schützen und schlichten sollen. Sprengfallen gehören nicht zum deutschen Erfahrungshorizont. Die afghanischen Rekruten hingegen sind oft Analphabeten und ehemalige Angehörige von Milizen. Deren Führern verdanken sie oft den Platz im Ausbildungskurs.

Schon 2004 sahen die USA, dass die Deutschen mit ihrer Ausbildung stark in Verzug sind. Washington stellte deshalb massive Mittel bereit, um in von privaten Sicherheitsfirmen durchgeführten Crashkursen zehntausende Hilfspolizisten zu trainieren. Sie lernen vor allem schießen und können gegen die Taliban als milizartige Truppe eingesetzt werden. Der Schutz bedrohter Frauen ist für sie kein Thema.

Lehrten die Deutschen bisher in Polizeischulen, sollen sie künftig in einem On-the-Job-Training ihre afghanischen Kollegen im Alltag begleiten. Das stößt auf Kritik der Polizeigewerkschaft: „Wir bilden gern aus, aber nur in gesicherten Camps. Wir sind kein Teil des Bürgerkrieges. Wir sind auch nicht bereit, die Taliban zu bekämpfen. Das ist Aufgabe von Militär und paramilitärischen Einheiten“, sagte der GdP-Vorsitzende Konrad Freiberg in einem Interview. Die jetzt gemachten Versprechen hält er für utopisch: „Dazu sind wir gar nicht in der Lage.“ SVEN HANSEN