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Archiv-Artikel

DOMINIC JOHNSON ÜBER DEUTSCHLAND UND DIE MIGRATION AUS AFRIKA Jenseits des Gartenzauns

Afrika ist von Deutschland weit weg, viel weiter weg jedenfalls als zum Beispiel von Frankreich. Nur mit dieser Annahme lässt sich die Schlussfolgerung des Bundesinnenministeriums in seiner neuen Studie zum „Migrationspotenzial Afrikas“ begründen, wonach die Auswanderung aus Afrika nach Europa wegen zunehmender ökonomischer, politischer und ökologischer Probleme zwar zunehmen wird, die Einwanderung von Afrikanern nach Deutschland aber voraussichtlich nicht. So wie 1986 die radioaktive Wolke von Tschernobyl nach amtlichen Angaben um Frankreich einen Bogen machte, so soll heute Deutschland von dem unerwünschten Phänomen größerer afrikanischer Mobilität auf wundersame Weise verschont bleiben.

Eine solche Festlegung ist vor allem vor dem Hintergrund interessant, dass Deutschland im EU-Rahmen weniger Anstrengungen zur Aufnahme afrikanischer Flüchtlinge leistet als die direkt betroffenen Länder – ein Zustand, der für überfüllte Lager auf Mittelmeerinseln und Leichen an südeuropäischen Stränden sorgt, an dem sich aber nach dem Willen und nun auch nach den Prognosen der Bundesregierung möglichst nichts ändern soll. Berlin setzt auf Abwehr.

„Es ist in unserem Interesse, in unserem eigenen Vorgarten, in Afrika, dafür zu sorgen, dass Menschen keine Fluchtgründe geliefert bekommen“, erklärte Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) am 10. November im Bundestag. Was bedeutet das in der Praxis? Darauf gibt es bis jetzt nur allgemeine Antworten. Vor wenigen Tagen veröffentlichte die EU-Grenzschutzagentur Frontex ihre Jahresbilanz, wonach sie im letzten Jahr 1.570 an den EU-Außengrenzen aufgegriffene Illegale wieder deportiert hat, gegenüber 800 im Vorjahr und 428 im Jahr 2007 – eine Verdoppelung jedes Jahr. Wie lange kann das gutgehen?

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