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Archiv-Artikel

Prozess um Mordversuch am 1. Mai: Schüler freigesprochen

URTEIL Landgericht Berlin entscheidet „im Zweifel für die Angeklagten“. Keine Beweise für Molotowcocktail-Wurf auf Polizisten. Rigo B. und Yunus K. erhalten Haftentschädigung

BERLIN taz | Das Landgericht Berlin hat den 17-jährigen Rigo B. und den 20-jährigen Yunus K. am Donnerstag vom Vorwurf des versuchten Mordes freigesprochen. Den jungen Männern war vorgeworfen worden, am 1. Mai 2009 in Kreuzberg einen Molotowcocktail auf Polizisten geschleudert zu haben. Yunus K. und Rigo B. hatten die Tat stets bestritten. Diese Einlassung der Angeklagten habe sich nicht mit letzter Sicherheit widerlegen lassen, befand nun das Gericht.

Erstmalig nach einem 1. Mai war Anklage wegen versuchten Mordes erhoben, seit September gegen die Schüler verhandelt worden. Der Brandsatz hatte die Beamten verfehlt, eine Frau aber durch Teile der brennenden Flüssigkeit schwer verletzt. Hauptbelastungszeugen waren zwei Polizisten, die Yunus K. und Rigo B. von der Tat bis zur Festnahme beobachtet haben wollen.

„Im Zweifel für die Angeklagten“, begründete Richterin Petra Müller den Freispruch. Zwar hätten die Polizisten glaubhaft eine Verwechslung ausgeschlossen. Dennoch hätten sich diverse ähnlich gekleidete Jugendliche in Tatortnähe aufgehalten. Deshalb sei eine Verwechslung eben doch möglich. Gleichzeitig kritisierte Müller eine „beispiellose Kampagne“ von Verteidigung und Medien gegen das Verfahren. „Das Gericht hat sich seine Entscheidung nie leicht gemacht und wollte hier auch kein Exempel statuieren.“ Müller nahm auch Staatsanwaltschaft und Polizei in Schutz. Gegen diese gebe es keine Anhaltspunkte für falsche Verdächtigungen. Oberstaatsanwalt Ralph Knispel kündigte Revision gegen das Urteil an. Er hatte bis zu vier Jahre und neun Monate Haft gefordert.

Die Verteidiger kritisierten das Verfahren scharf. Siebeneinhalb Monate saßen Yunus K. und Rigo B. in U-Haft. Mitte Dezember wurden sie überraschend freigelassen. Es bestehe kein dringender Tatverdacht mehr, so das Gericht damals. Woher diese Wende rührte, erklärte es auch am Donnerstag nicht. Einseitig und schlampig sei gegen ihre Mandanten ermittelt, eine Verurteilung von vornherein angestrebt worden, so Verteidiger Ulrich von Klinggräff. „Es ist furchtbar, dass dieses Vorgehen von Polizei und Staatsanwalt im Urteil auch noch gedeckt wird.“ Der Prozess hatte von Kirchen bis Antifa Proteste ausgelöst. Yunus K. und Rigo B. werden jetzt entschädigt: 25 Euro für jeden der 230 Hafttage. KONRAD LITSCHKO

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