: Ja, was blüht uns denn da?
Die letzte Ausstellung in der Reihe „Standpunkt“ bringt Präzisionsgärtnerei in die Kunsthalle: Die Hamburger Künstlerin Susi Mahacke befasst sich mit den Verwirrungen und Überformungen einer unfreien Flora im 21. Jahrhundert. Räume im Altbau als Aufzuchtstation und Denkersalon inszeniert
von Hajo Schiff
Naturfreunde haben es schwer, gibt es doch – anders als Tourismus und Folklore es weismachen wollen – nirgends mehr Natur. Alles draußen ist zu Landschaften überformt und vergärtnert, alles von Nützlichkeitserwägungen geprägt. Fauna und Flora wurden lange auf erwünschte Eigenschaften hin umgezüchtet und werden nun direkt genmanipuliert. Auch die gezähmten Exoten auf dem Fensterbrett und die weltweit eingeflogenen Blumensträuße, diese privaten Restnaturen, sind durchweg umdesignt: Blühpflanzen wird erst der Geruch weggezüchtet, damit sie sich länger halten, dann werden sie oft künstlich parfümiert.
Mit den Verwirrungen einer unfreien Flora und den Vorstellungen von Landschaft befasst sich eine Hamburger Künstlerin, die, ganz passend, ihren Namen in eine Firmenbezeichnung umdesignt hat: „Susi Mahacke Produktion“. Bisher war deren Arbeitsgebiet die Alpenforschung zwischen dem Klischee wilder Natur und der Fiktion touristisch optimaler Infrastruktur. Jetzt befasst sich die Kunstfirma mit dem Gärtnereiwesen. Erste Forschungsergebnisse in Theorie und Praxis werden in zwei Räumen der Kunsthalle präsentiert, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Durch die samtschwarze Dekadenz eines professoralen Salons gelangen Besucher in die klinische Helligkeit einer strahlend weißen Aufzuchtstation.
Pflanzen zieren im düsteren Ambiente des mit Sitzmöbeln ausgestatteten Gedankenzimmers nur als Rankenmuster Schwarz auf Schwarz die Wände. Aus dem Dunkel leuchtet eine Fotomontage der Künstlerin als pomponbetüddelte folkloristisch-futuristische Gärtnerin sowie ein Feld von 126 skizzenhaften Blättern mit biologischen Elementen.
Der Salon ist der Ort der Kopfgeburten. Hinter Vorhängen auf weichen Sofas werden Ideen ersponnen und ornamental gewendet. Skizzen werden zu Design. Dann übernimmt die Produktionsabteilung. Und die ist erfolgreich: Ein Holzweg-System über mehr als fünf Kubikmeter Marmorkieseln führt zu den, wie seltene Kakteen in lockeren Gruppen wachsenden, „Botani Babusch“. Die rotfarbigen, doppelkonischen Neuentwicklungen haben eine verdächtige Ähnlichkeit mit gestapelten chinesischen Keramikblumentöpfen. Aber sie verströmen einen intensiven Duft. Und ihre Anzahl nimmt im Laufe der Ausstellung weiter zu, vermutlich durch rhizomatische Vermehrung.
Die phantasiereiche Inszenierung ist über Gartenbaukritik hinaus auch eine Referenz an die Science Fiction. So erinnert der dunkle Salon an das 19. Jahrhundert und die Wissenschaftsmärchen eines Jules Verne. Die biologischen Neuentwicklungen im fast überirdischen Licht verweisen auf ein Raumschifflabor nach Kubricks „2001“.
Dabei ist auch das Biodesign der Susi Mahacke – genau wie die Produkte der realen Präzisionslandwirtschaft in den Supermarktregalen draußen – durchaus praktischer Natur: Bei der Eröffnung der Ausstellung wurde eine Bowle mit dem synthetischen Extrakt aus dem Duft der „Botani Babusch“ kredenzt. Schöne neue Welt.
Mit der Verwandlung der beiden Kunsthallenräume durch die „Susi Mahacke Produktion“ ist die Reihe „Standpunkt“, die speziell frischer Kunst aus der Region galt, vorerst beendet. Sicher wird die Kunsthalle auch weiterhin junge Hamburger Kunst fördern, denn die ans Haus gebundene „Philipp Otto Runge Stiftung“ hat ausdrücklich diesen Zweck. Aber ob auch weiterhin der Kontrast der hohen Altbau-Eckräume dazu ausgereizt werden kann, gehört noch zu den Geheimnissen des ab Februar amtierenden neuen Direktors Hubertus Gaßner.
„Susi Mahacke Produktion – Präzisionsgärtnerei mit Botani Babusch“, Reihe Standpunkt, Kunsthalle; noch bis zum 5. Februar. Ausstellungsheft: 3 Euro