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Archiv-Artikel

Power-Point statt Schiefertafel

E-LEARNING Die universitäre Lehre stützt sich immer stärker auf multimediale Methoden. Die sollen aber kein Ersatz für die Präsenzlehre sein, sondern eine sinnvolle Ergänzung

„Wozu man noch Dozenten braucht? Diese Frage halte ich für Quatsch“

Marcel Austenfeld, Christian-Albrechts-Universität Kiel

VON AMADEUS ULRICH

Studieren ohne Internet? Heute kaum mehr vorstellbar. Daher ist es beizeiten recht schwer für Danny Hahn, denn der 23-jährige Student der Politikwissenschaft aus Hamburg besitzt nämlich keinen Computer. „Ich habe dadurch an der Uni definitiv Nachteile“, sagt er. „Aber ich möchte nicht dazu gezwungen werden, mir einen dieser Kästen zu kaufen. Ich schreibe ja auch niemandem vor, sich neue Schuhe zu kaufen, damit er besser laufen kann.“ Bloß: die universitäre Lehre verlagert sich zunehmend ins Internet und findet dort statt, das sogenannte „E-Learning“ ist in aller Munde.

Kurs-Wahlen, Kommunikation und wichtige Dokumente: Vieles davon geschieht nur noch online oder ist dort verfügbar. Manche ProfessorInnen lassen ihre Vorlesungen sogar aufzeichnen und stellen das Video ins Netz. E-Learning ist der Oberbegriff für die unterschiedliche Nutzung des Computers zu Lernzwecken.

Marius Schönberger nennt in seinem Sachbuch „Innovatives Lernen im digitalen Zeitalter“ vier Vorteile des Lernens online: erstens die Digitalisierung einer großen Menge an Daten und Informationen, auf die man zugreifen kann; zweitens die Vernetzung von ProfessorInnen und Studierenden und die Kommunikation im Internet; drittens die Interaktivität, also die Anpassung der jeweiligen Systeme an die Bedürfnisse der jeweiligen BenutzerInnen. Und zu guter Letzt die Multimedialität, mit der Schönberger auf die Möglichkeiten von Medien etwa in Präsentationen oder Vorträgen hinweist, kurz: „Power-Point“ statt Schiefertafel.

Wie das konkret aussieht, was Schönberger theoretisch beschreibt, zeigt zum Beispiel das Programm „Olat“, ein sogenanntes webbasiertes Learning Management System. „Olat“ steht für „Online Lernen und Trainieren“. Dort können sich Studierende und Lehrende anmelden, in Foren miteinander diskutieren, Dokumente bereitstellen oder herunterladen. Sie können Tests absolvieren und sich miteinander vernetzen. Die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) gab unlängst in einer Pressemitteilung bekannt, ihre Lehre auf das Programm „Olat“ zu stützen. Grund hierfür sei die große Anzahl an unterschiedlichen E-Learning-Systemen, die jeder Lehrende nach Gutdünken in seinem Unterricht integriere.

„In diese müsste man sich dann jedes Mal wieder neu einarbeiten. Das wollen wir durch die Zentrierung auf ‚Olat‘ verhindern“, sagt Marcel Austenfeld, aktiv beim E-Learning-Service der CAU. Das berät und schult Studierende und Lehrende im elektronischen Lernen und erklärt ihnen „Olat“. Mit solchen Programmen spare man viel Zeit, sagt Austenfeld, der Aufwand minimiere sich, für Studierende und Professoren sei es eine Entlastung. So müssen die NutzerInnen nicht mehr jeden 100-Seiten-Text ausdrucken, sondern können ihn online downloaden und auf dem Bildschirm lesen.

Etwa 24.000 Nutzer sind derzeit bei „Olat“ an der CAU registriert, 9.000 von ihnen sind pro Woche auf der Plattform unterwegs. Doch gehe es keineswegs darum, so Austenfeld, den Präsenzunterricht durch die zunehmende Medialisierung und Digitalisierung der Gesellschaft obsolet zu machen – also eine „Universität 2.0“ zu etablieren, die nur noch via Internet funktioniert. „Wozu man noch Dozenten braucht? Diese Frage halte ich für Quatsch“, sagt Austenfeld. Vielmehr solle man Medien an der Universität stets als Ergänzung zum normalen „Face-to-Face-Unterricht“ betrachten – nicht als dessen Ersatz. Das nennt sich dann „Blended Learning“, zu Deutsch: vermischtes Lernen.

Verschließen könne man sich dieser Entwicklung indes jedoch nicht, sagt Austenfeld. Das Internet als StudentIn komplett zu meiden, das gehe heutzutage schief. „Medienkompetenz ist wichtig. Wer sie nicht hat, bekommt später Probleme.“ Danny Hahn, der Student aus Hamburg, hat sie schon jetzt. Dennoch wird er sich wohl auch in Zukunft keinen Computer kaufen. „E-Learning ist sicher eine tolle Sache“, sagt er. „Aber der Fairness halber sollte man Leuten wie mir auch die Möglichkeit geben, so zu lernen, wie sie es für richtig halten.“ Die Klausuren im letzten Semester habe er nur bestanden, weil er stets zu Freunden konnte – die hätten nämlich einen Internetanschluss.