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Archiv-Artikel

Türöffner in die Theaterwelt

REGIE-NACHWUCHS Das Körber Studio Junge Regie feiert dieses Jahr sein zehnjähriges Jubiläum. Der dort verliehene Preis hat etlichen RegisseurInnen den Weg an renommierte Theater geebnet

Auch dieses Jahr hält der Trend an, die Grenzen zwischen Sprechtheater, Tanz und Performance Art weiter aufzuweichen

VON FRANK KEIL

Spät geworden ist es am Dienstag für Daniel Pfluger. Sein Stück „strawinsky:animated“ nach Igor Strawinskys „Die Geschichte vom kleinen Soldaten“ für das Junge Europäische Musikfestival Esslingen hatte Premiere. Und hinterher wurde natürlich gefeiert. Am nächsten Tag musste alles für die zweite Aufführung hergerichtet werden und Pfluger und seine Mitstreiter mussten noch mal besonders ranklotzen: Ein Kamerateam zeichnete die Aufführung für 3sat und Arte auf. Ungewiss also, ob der freie Regisseur es dieses Jahr schaffen wird, im Thalia in der Gaußstraße vorbeizuschauen.

Dort feiert in den kommenden Tagen das Körber Studio Junge Regie, das wohl spannendste Theatertreffen für angehende Regisseure im deutschsprachigen Raum, sein zehnjähriges Jubiläum. Ausgerichtet wird es wie in den Jahren zuvor von der Universität Hamburg, dem Thalia Theater und der Körber-Stiftung, die auch wesentlich die Finanzierung trägt. Am Ende winkt der Körber-Preis Junge Regie. Der ist beim Nachwuchs begehrt, weil er nicht bloß eine Geldsumme, sondern die Möglichkeit bietet, das nächste Projekt an einem Theater zu realisieren. In der Theaterwelt genießt der Preis längst ein gutes Renommee.

Vor vier Jahren wurde Pfluger für sein Bewegungstheater „Unvollkommen“ nach Ovids „Metamorphosen“ ausgezeichnet, und er vermutet, „dass mir der Preis extrem viel gebracht hat. Er war ein Türöffner, er ist auch ein Gütesiegel. Wenn ich auf irgendwelchen Premieren jemandem als Körber-Preisträger vorgestellt wurde, war das Gespräch sofort viel leichter.“ Auch Gelder für Projekte seien leichter zu akquirieren gewesen: „Wenn ich irgendwo anklopfte, hat man mit mir gesprochen.“

Etwas verhaltener äußert sich Julia Höscher, die 2007 an der Hamburger Theaterakademie ihr Regiestudium mit einer Adaption von Aki Kaurismäkis „Das Mädchen aus der Streichholzfabrik“ abschloss und damit den Regie-Preis gewann: „Er bringt eine Aufmerksamkeit, die man nicht bekommt, wenn man etwa nur Regieassistentin ist. Aber diese Aufmerksamkeit ist schnell wieder vorbei.“ Dass es so ein tolles, intensives Festival gebe und am Ende doch wieder einer gewinnen müsse, bedauert Hölscher. Und war bei der Preisübergabe entsprechend peinlich berührt: „Ich habe damals ganz vergessen, meinem Team zu danken, während der Abschiedsparty saß ich mit dem Rücken zum Raum, die Mütze auf, denn als Preisträger versteckt man sich erst mal, während alle anderen miteinander reden.“ Heute ist Hölscher Hausregisseurin am Staatstheater Dresden und glaubt, dass das Festival mit all dem Austausch und all den Gesprächen fast wichtiger sei als der Preis.

Klaus Wehmeier, der das Festival vor zehn Jahren mit dem einstigen Thalia-Intendanten Ulrich Khuon und Barbara Müller-Wesemann vom Studiengang Theater in Hamburg initiiert hat, ist aber überzeugt, dass der Wettbewerb dem Festival gut tut: „Es ging uns neben dem inhaltlichen Austausch auch darum, ein Stück Spannung zu erzeugen; es gab von Anfang an den Gedanken des Sich-Messen-Wollens und damit die Aufgabe, Qualität abzuliefern.“ Das habe geklappt und Wesemann nennt als ehemalige Preisträger noch Jorinde Dröse, Roger Vontobel, David Bösch – heute alles große Namen.

Zugleich seien aber auch die Theaterschulen untereinander in einen produktiven Wettbewerb und anschließenden Austausch getreten: „Wettbewerbe, die man im Kulturbetriebe ja nicht so mag, haben doch ihre Effekte: Als drei Jahre hintereinander Absolventen der Züricher Hochschule der Künste den Preis gewannen, haben sich die anderen Schulen schon gefragt, ob sie noch auf der Höhe der Zeit sind.“

Und was ist dieses Jahr zu erwarten? Wie immer gibt es Regiearbeiten, die sich an den großen Namen abarbeiten: Ibsen ist vertreten, Eugene O’Neill, zweimal Elfriede Jelinek und auch Sarah Kane, die noch immer eine große Faszination auf die junge Theaterszene ausübt. Gleichzeitig hält der Trend an, die Grenzen zwischen dem Sprechtheater, dem Tanz und der Performance Art weiter aufzuweichen: Ulrike Müller von der Berliner Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ lässt in „Das Projekt bin ich“ fünf Schauspieler in die Rolle von fünf Schauspielern schlüpfen, und die Hildesheimer Szene schickt „Argelés-sur-Mer“ des Projekts „cobraanker.cobra“ ins Rennen: „Sechs junge Männer auf der Bühne fahren Fahrrad, zerstören Möbel, schmusen und lassen sich nicht verunsichern.“ Gründer Klaus Wehmeier erinnert sich: „Die Schulen Gießen und Hildesheim mit ihren performativen und so ganz anderen Arbeiten waren am Anfang die Außenseiter und hatten auch bei der Jury kaum eine Chance. Aber das hat hat sich grundlegend geändert: Beide Schulen haben mittlerweile den Preis gewonnen.“

■ Sa, 4. 5. bis Fr, 10. 5., Thalia in der Gaußstraße