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Archiv-Artikel

Kratzbürstiges Streichquartett

SPIELFILM Yaron Zilbermans Film „Saiten des Lebens“ überzeugt dank großartiger Schauspielerleistungen

Bei Konzerten ist es oft so: Man geht hin, weil man bestimmte Performer hören will; was im Einzelnen gespielt wird, kann dabei zur Nebensache geraten. Es ist in jedem Falle vorhersehbar. So erscheint es nur passend, dass „Saiten des Lebens“ als Film, der vom Leben und Überleben eines erfolgreichen Streichquartetts handelt, genauso daherkommt: die Plotverwicklungen sind nebensächlich und vorhersehbar, im Vordergrund stehen die Performer. Und sie allein sind schon das Kinoticket wert.

Neues Karrierehoch

Als Erstes wäre da der wundervolle Christopher Walken. Er spielt Peter, den Cellisten des Quartetts, der seinen Kollegen eröffnen muss, dass bei ihm Parkinson diagnostiziert wurde. Walken ist vor Kurzem 70 geworden und erlebt als Schauspieler gerade ein neues Karrierehoch – 35 Jahre nach seinem Durchbruch als durchdrehender Vietnamsoldat in „Deer Hunter“ und all den Filmen, die das Manische seiner Ausstrahlung nur für Perverslinge zu nutzen wussten. In „Saiten des Lebens“ verkörpert er für einmal einen Mann jenseits von Obsessionen, abgeklärt, aber nicht bitter, ängstlich in die Zukunft blickend, aber entschlossen, sich die nächsten Schritte nicht von Panik diktieren zu lassen. Mit melodiös brüchiger Stimme und punktgenauer Zurückhaltung verleiht Walken seinem Performerprofi emotionale Schwingung – von der man in diesem Film gerne noch viel mehr gesehen hätte. Im Zentrum aber stehen die Konflikte, die sein Rückzug unter den drei Kollegen auslöst.

Da gibt es die Erste Geige Daniel (Mark Ivanir), ganz auf seine Karriere konzentriert, und die Zweite Geige Robert (Philip Seymour Hoffman), seit über 20 Jahren mit der Vierten im Bunde, der Violaspielerin Juliette (Catherine Keener) verheiratet. Wie gesagt, die Plotverwicklungen sind vorhersehbar – das Ehepaar gerät in die Krise, die Zweite Geige will auch mal Erste sein, die Erste Geige fragt sich, ob es im Leben Genüsse außerhalb des Musikmachens gibt. Wieder sind es die Schauspieler, die sich über die angelegten Klischees hinwegsetzen und mehr daraus machen: Keener zeigt Kratzbürstigkeit, wo sie das Ausgangsmaterial auf die Balance suchende, reife Frau festlegen möchte. Hoffman verleiht seinem als Wadenbeißer intendiertem Underdog überraschende Würde und Großzügigkeit. Und Mark Ivanir zeigt als Ehrgeizling, dem seine existenzielle Einsamkeit bewusst wird, wie spannend dieser Film mit einem besseren Drehbuch vielleicht hätte werden können.

BARBARA SCHWEIZERHOF

■ „Saiten des Lebens“. Regie: Yaron Zilberman. Mit Catherine Keener, Christopher Walken, Philip Seymour Hoffman u. a. USA 2012, 105 Min.