Alle Reeder stehen still

In Hamburg macht der Hafen dicht, in Rostock auch und in Bremerhaven sowieso. Grund: Die Hafenarbeiter streiken – aus Protest gegen die Port-Package-Richtlinie der EU

von Gernot Knödler

Das Tor zur Welt bleibt heute zu. Nicht nur in Hamburg oder Bremerhaven, sondern in allen großen Häfen der europäischen Atlantikküste protestieren die Hafenarbeiter gegen die geplante Seehafenrichtlinie (Port Package II) der EU. Die Demonstrationszüge und Kundgebungen erstrecken sich über 24 Stunden und werden die Häfen weitgehend lahmlegen. Die meisten Hafenbetriebe werden den Protest tolerieren, weil sie die Richtlinie, mit der mehr Wettbewerb bei Hafendienstleistungen geschaffen werden soll, ablehnen. Lediglich die Reeder sind im Prinzip dafür.

Anlass für den Protest ist eine für den 17. Januar anberaumte Abstimmung des Europäischen Parlaments über die „Richtlinie über den Marktzugang für Hafendienstleistungen“. Einen ersten Vorschlag der Europäischen Kommission hat das Parlament im November 2003 abgelehnt.

Nachdem sich die Machtverhältnisse im Parlament zu Gunsten der Konservativen geändert hatten, legte die scheidende Kommission einen zweiten, verschärften Entwurf vor, das so genannte Port Package II.

Die Richtlinie ist Teil der Bemühungen der EU, zur dynamischsten Wirtschaftsregion der Welt zu werden. Ihr Ziel ist es, den Wettbewerb zwischen den großen europäischen Häfen und innerhalb der Häfen zu verschärfen. Das werde die Effizienz erhöhen, die Preise drücken und die über die Häfen ein- und ausgeführten Güter verbilligen.

Nach den Vorstellungen der Kommission sollen die Konzessionen für das Lotsen, Schleppen oder den Güterumschlag in den Häfen neu und auf begrenzte Zeit vergeben werden. Alle paar Jahre – die Vorschläge und Änderungsvorschläge reichen von acht bis 46 Jahren – würden sie neu ausgeschrieben. Die Besatzungen sollen ihre Schiffe künftig selbst beladen und löschen dürfen. Heute tun das die Arbeiter des jeweiligen Hafens. Um einen Subventionswettlauf der Hafenstädte zu vermeiden, sollen weit gehende Offenlegungsvorschriften erlassen werden.

Ein Dorn im Auge der Gewerkschaften ist insbesondere die Selbstabfertigung. Dürften schlecht bezahlte Schiffsbesatzungen selber löschen, ginge das zu Lasten der tariflich abgesicherten Hafenarbeiter.

Dietmar Stretz von der Gewerkschaft Verdi in Hamburg sieht deshalb den sozialen Frieden gefährdet: „Port Package II hätte eine Zweiklassengesellschaft in den Seehäfen zur Folge: mit und ohne Tarifvertrag, mit und ohne geregelte Arbeitsbedingungen.“ Zumal die Beschäftigten eines Terminals nach aktueller Rechtsprechung keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung hätten, wenn die Betreiberfirma wechselt.

„Die Arbeitnehmer in den Häfen haben ein Recht auf langfristig sichere Arbeitsplätze“, findet Bernt Kamin, Betriebsratsvorsitzender des Hamburger Gesamthafenbetriebs. Die Hafenfirmen zeigen für diese Position Verständnis, zumal sie selbst kein Interesse an Konkurrenz durch Terminalmultis aus Singapur oder Hongkong haben. Der Kommissionsentwurf greife massiv in bestehende Verträge ein, moniert Klaus Heitmann vom Zentralverband der Deutschen Seehäfen (ZDS). Gemeinschaftsunternehmen von Terminal-Betreibern mit Bahnfirmen, die einen schnellen Weitertransport der Ware ins Hinterland sichern, würden zerschlagen.

„Da wird so getan, als ob zwischen den Häfen kein Wettbewerb bestehen würde“, schimpft Heitmann. „Dabei können sie einen Container von München über eine ganze Reihe von Häfen in die USA versenden.“ Die europäischen Häfen seien im Übrigen bereits heute billiger als die asiatischen. Gerade ein Einstieg der finanzstarken asiatischen Multis werde den Wettbewerb zerstören, warnt Florian Marten, Sprecher der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA).

Aus Sicht von Verbandsgeschäftsführer Heitmann hat die EU lediglich dafür zu sorgen, dass die Häfen zu fairen Bedingungen miteinander konkurrieren. „Wenn der eine Staat Kaimauern finanziert und auch noch Kräne hinstellt und der andere sagt, das sei Aufgabe der Unternehmen, dann ist das unfairer Wettbewerb“, findet Heitmann. Hier für einheitliche Bedingungen zu sorgen, überfordere die Nationalstaaten. In diesem Punkt sind sich die verschiedenen Interessengruppen einig. Darüber, dass und wie für mehr Wettbewerb gesorgt werden müsste, haben die Reeder allerdings eine andere Auffassung. „Im Prinzip“ trete man für die von der Kommission geplante Richtlinie ein, sagt Max Johns vom Verband Deutscher Reeder (VDS). Von dem Veränderungsvorschlag des Hamburger EU-Abgeordneten Georg Jarzembowski, den der zuständige Ausschuss des EU-Parlaments Ende vergangenen Jahres abgelehnt hat, seien die Reeder „alles andere als begeistert“. Jarzembowski schlug vor, die Frage der Selbstabfertigung den Einzelstaaten zu überlassen und heutigen Konzessionsnehmern Übergangsfristen von bis zu 46 Jahren zu ermöglichen.

Weil sich die Hafenbetriebe mit ihren Beschäftigten einig sind in der Ablehnung der Seehafenrichtlinie, werden sie den Stillstand der Terminals mit zusammengebissenen Zähnen hinnehmen. „Es wird keine Abmahnungen geben“, sagt Norman Zurke vom Unternehmensverband Hafen Hamburg. „Im Einzelfall werden aber die Entgelte für die Schichten nicht bezahlt.“