: Auf der Straße, in den Köpfen
DEMO 350 Menschen demonstrierten beim 21. Protesttag gegen die Diskriminierung behinderter Menschen. Inklusion solle „gelebt“ werden
Für gleiche Rechte und „gelebte Inklusion“ sind am Dienstag 350 Menschen durch die Innenstadt gezogen. Anlässlich des Europäischen Protesttages zur Gleichstellung behinderter Menschen forderten sie die konsequente Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, soziale Teilhabe und umfassende Barrierefreiheit.
Dies bedeute „mehr als Rollstuhl-gerecht zu sein“ sagte Joachim Steinbrück, Bremens Landesbehindertenbeauftragter, zur taz. Beschriftungen, die optisch leicht zu erkennen und zu verstehen sind, seien für Menschen mit Lernschwierigkeiten ebenso hilfreich, wie für Menschen, die nicht so gut deutsch sprechen. Es gehe um die „Barriere in den Köpfen“. In der Uni etwa habe eine Veranstaltungsreihe zum Thema „Diversity“ stattgefunden – in Räumen, die für Rollstuhl-FahrerInnen nicht zugänglich waren. „Kein böser Wille, aber perfide“, sagt Steinbrück, „deshalb ist der Protesttag so wichtig.“
Zum 21. Mal wurde der vom „Arbeitskreis Bremer Prostest“ organisiert. Gastredner Steinbrück erinnerte an den langen Kampf: „Nicht vom Himmel gefallen“ sei, dass Busse und Straßenbahnen in Bremen mit Rollstühlen zu benutzen sind. „Dafür sind Menschen vor 20 Jahren auf die Straße gegangen.“ Aktuell forderte er die bessere Ausstattung von Beratungsstellen wie der von „Selbstbestimmt Leben“ und mahnte an, dass es für die Inklusion in Schulen an LehrerInnen fehlt. Radio Bremen kritisierte er für die Pläne, die Gebärdensprache-Übersetzung der Nachrichten ins Internet verbannen zu wollen. Seine Rede wurde, wie alle Demobeiträge, in Gebärdensprache übersetzt.
„Die sofortige Abschaffung von Zwangsbehandlung“, forderte eine Aktivistin der Zeitschrift Irrturm. Auch die Selbstbestimmung psychisch kranker Menschen wird durch die UN-Behindertenrechtskonvention gestärkt. „Ich will selbst entscheiden, wann ich aufstehe“, trug ein Demonstrant auf einem Schild. Wegen der Behinderung bevormundet zu werden oder sich den engen Regeln eines Wohnheimes unterwerfen zu müssen, dem widerspricht der Gedanke der UN-Behindertenkonvention, nach der sich die Gesellschaft auf Individualität und Vielfalt einstellen muss und nicht umgekehrt.
Derzeit arbeitet ein „Temporärer ExpertInnenkreis“ und eine Staatsräte-Lenkungsgruppe an der Umsetzung in Bremen. Nach einer Bestandsaufnahme könnten Ende 2013 konkrete Konzepte der einzelnen Senatsressorts vorliegen, so Steinbrück. JPB