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Archiv-Artikel

„Der heilige Rasen kann betreten werden“

Die Studie der Stiftung Warentest ist durchaus produktiv, glaubt der Fan-Soziologe Dieter Bott. Die Interessen der Fans abseits des Kommerzes würden ernst genommen. Dennoch warnt er vor übertriebenen Horrorszenarien

taz: Herr Bott, dürfen sich die Fans auf die Fußball-WM noch freuen?

Dieter Bott: Das offizielle WM-Motto lautet: „Die Welt zu Gast bei Freunden.“ Der Freundschaftsaspekt wird vom gegenwärtigen Sicherheitsdiskurs heftig überlagert.

Die Reaktionen von den Organisatoren auf die Studie der Stiftung Warentest sind ausgesprochen heftig. Franz Beckenbauer glaubt, dass sich die Stiftung Warentest auf Kosten der WM profilieren will.

Die Studie ist produktiv, weil sie wesentlich die Sicherheitsinteressen der Zuschauer vertritt – auch jenseits des Kommerzdenkens der Veranstalter. Schon in ihrer Untersuchung zur EM 1988 in Deutschland hat die Stiftung Warentest die Perspektive dafür eröffnet, dass der heilige Rasen betreten werden kann, wenn es für die Sicherheit der Zuschauer notwendig ist.

Muss bei der WM mit Auseinandersetzungen gerechnet werden?

Es gibt effiziente, länderübergreifende Polizeimodelle, die das mögliche Maß an Sicherheit schon heute garantieren. NRW-Innenminister Ingo Wolf (FDP) kann seine „Pappenheimer“, wie er die Hooligans nennt, jederzeit „festsetzen“ – die Polizeien aus den anderen Ländern, mit ihren entsprechenden „Gewalttäter-Sportdateien“ können dies ebenfalls. Allerdings ermöglichen die aktuellen Horrorszenarien, die über polnische, englische und holländische Hooligans verbreitet werden, den Sicherheitsorganen die Möglichkeit, weitere Mittel und Ressourcen abzugreifen. Der Wunschtraum der Konservativen, die Bundeswehr im Inneren einzusetzen, kann so wieder ins Spiel gebracht werden.

Was erwartet die Fans?

Wenige haben das Glück, eine teure Karte zu bekommen. Nachdenklich müsste stimmen, dass die Ultra-Gruppierungen, die kritisch und produktiv maßgeblich die Atmosphäre des heutigen Bundesligaalltags bestimmen, den Kommerz und den Sicherheitswahn der WM-Organisatoren kritisieren und nichts mit dieser riesigen Geldmaschine zu tun haben wollen. Statt der Ultra-Choreographien werden nur die künstlerischen Einfälle von André Heller inszeniert, die dieser mit mehr als 30 Millionen Euro subventioniert bekommt. Skandalös, dass aus diesem Etat keine einziger Euro für das geplante NRW-Zeltlager für 2.000 Jugendliche abgezweigt wurde, bei dem Fanprojekte und DGB ein kulturelles und sportliches Rahmenprogramm für Leute mit wenig Taschengeld anbieten wollen.

Macht die WM den wirklichen Fans überhaupt Spaß?

Wenn bei den großen öffentlichen Videoleinwänden diskutiert wird, diese zu umzäunen, Eintritt zu erheben und nur das offizielle Bier auszuschenken, dann kann ich mir kaum vorstellen, dass das Motto der WM „Die Welt zu Gast bei Freunden“ damit einzulösen ist.

INTERVIEW: HOLGER PAULER