piwik no script img

Archiv-Artikel

Italien gegen die Gewalt der Globalisierung

In Italien besinnen sich Bauern, Verbraucher und Unternehmer auf eine eigene Identität

Zahlen sind deutlicher als Worte, wenn es um die Meinung der Italiener zur Gentechnik in der Landwirtschaft geht. Bisher haben sich 15 der 20 Regionen des Landes und 2.307 von 8.106 lokalen Kommunen dazu entschlossen, gentechnisch veränderte Organismen abzulehnen. Die Anhänger gentechnikfreier Zonen sind regional verwurzelt und effektiv. Ihre politische Glaubwürdigkeit fußt auf der Ablehnung des gentechnischen Modells der Landwirtschaft und der Nahrungsmittelherstellung als wissenschaftlich unsicher, sozial unakzeptiert und ökonomisch kontraproduktiv.

Was verbirgt sich hinter einem politisch so ungewöhnlichen Bündnis, das weit über die wichtigsten Umwelt-, Konsumenten- und Bioanbauverbände hinausreicht? Das ökonomische Giganten einschließt, wie Coop Italia, Italiens größte Supermarktkette mit mehr als 5 Millionen Mitgliedern? Dem auch Europas größte Bauerngewerkschaft Coldiretti angehört, oder der italienische Bauernverband? Und was bringt überzeugte Parteien und Abgeordnete von links bis rechts außen dazu, dieses Bündnis und seine gesetzgeberischen Ziele zu unterstützen?

Zum einen der menschliche Faktor. Zunächst von einer kleinen Gruppe von Umweltschützern, Agrarunternehmern und Gewerkschaften in die Öffentlichkeit getragen, die das neue gentechnische Paradigma mit unbekannten Auswirkungen in Angriff nahmen.

Der sozioökonomische Faktor überzeugte Landwirte, Agrar- und Nahrungsmittelfirmen schnell davon, dass eine gemeinsame „Identität“ notwendig sei, um den Wettbewerb in der weit vorangeschrittenen Globalisierung mit einer qualitätsgestützten Entwicklung und einem sozialen Verhältnis zwischen Produzenten und Konsumenten zu bestehen.

Des Weiteren gibt es den demokratischen Faktor. Soziologen beschreiben das Bündnis für gentechnikfreie Zonen als die fortschrittlichste soziale Reaktion auf die Ungleichheit und ökonomische Gewalt der Globalisierung. Es stelle ein neues Modell der Selbstverwaltung und die Wiederherstellung von Beziehungen zwischen sozialen Bedürfnissen und der Politik dar.

Das Bündnis hat die politische Tagesordnung auf eine Weise beeinflusst, die selbst seine eigenen Mitglieder überraschte. Das Resultat: von 285 gentechnischen Freilandversuchen im Jahre 1998 existieren heute nur noch elf. Monsanto wurde bis jetzt von der Öffentlichkeit und der Wachsamkeit der Behörden gestoppt – trotz unzähliger Versuche die Saatgutindustrie zu verunreinigen. Das Bündnis begrüßt dagegen die öffentlichen Kontrollbehörden als Partner für ein nachhaltiges und qualitätsgestütztes Modell der Produktion „vom Feld auf den Tisch“.

Das „Fallbeispiel Italien“ wirkt zugleich konventionellem Denken und traditionellen ökologischen Kämpfen entgegen. In diesem Fall werden Rechte der „dritten und vierten Generation“ – ökologische Rechte, Recht auf nachhaltigen Konsum, genetische Rechte – von einer Mehrheit der Öffentlichkeit diskutiert und unterstützt.

Technologische Innovationen sind kein Dogma und werden nur akzeptiert, wenn sie von einem sozialen Konsens getragen werden. Nachhaltige Produktion und Konsum bieten ein Modell gemeinsamer Innovation mittels lokaler Identität und einer unverwechselbaren Vielfalt, weit weg von monotonen Produktionsmodellen wie der Gentechnik. IVAN VERGA

Der Autor ist Geschäftsführer des „Consiglio dei Diritti Genetici“ (Genetics Rights Council). www.consigliodirittigenetici.org