Rätselraten über eine Reise Kim Jong Ils

Der nordkoreanische Diktator ist offenbar irgendwo unterwegs. Doch wo ist er? In China? In Russland?

PEKING/SEOUL/BERLIN rtr/dpa/taz ■ Einen Tag nach den Berichten über eine Reise des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong Il nach China hat es ein großes Rätselraten über dessen Ziel und Transportmittel gegeben. Kim sei auf einem Direktflug von Nordkorea in die chinesische Metropole Schanghai geflogen, meldete die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap gestern. In anderen Berichten hieß es, Kim sei bereits am Dienstag in seinem gepanzerten Zug nach China gereist. Er habe am Morgen die chinesische Grenzstadt Dandong passiert und sei am Mittag in der Stadt Shenyang im Nordosten eingetroffen. Dann sei der Zug mit unbekanntem Ziel – einigen Angaben zufolge ohne Kim Yong Il – weitergefahren.

Laut der nordkoreanischen Propaganda soll Kim ein ausgebildeter Kampfpilot sein. Es wurde jedoch noch nie bekannt, dass er mit einem Flugzeug reiste. Nach Berichten von Medien und Diplomaten hat er ebenso wie sein Vater und Staatsgründer Kim Il Sung Flugangst und reiste bei seinen seltenen Auslandsbesuchen bislang immer unter strengster Geheimhaltung mit dem Zug. Dabei ist es nicht ungewöhnlich, dass das Reiseziel aus Sicherheitsgründen erst spät bekannt gegeben wird.

Widersprüchlich sind auch die Berichte über Kims Reiseziel. Aus einer Quelle in China verlautete, er sei auf dem Weg nach Russland. Yonhap meldete indes unter Berufung auf Diplomaten, er sei nur nach Schanghai gereist. Die chinesische Wirtschaftsmetropole besuchte Kim auch bei allen drei vorangegangenen China-Reisen. Er besichtigte dort 2004 ein Werk von General Motors und ging auf einer populären Geschäftsstraße einkaufen. Laut Yonhap soll er drei Tage in Schanghai bleiben. Einer diplomatischen Quelle in Peking zufolge war gestern nahe dem Schanghaier Bahnhof ein offizieller Autokonvoi unterwegs. Weder das chinesische noch das russische Außenministerium waren bereit, sich über den Aufenthaltsort Kims zu äußern.

Kims Reise im Jahr 2004 nach China wurde erst nach seiner Rückkehr offiziell bestätigt. Bei seinem Besuch in Russland war er 24 Tage mit dem Zug unterwegs.

So wie die Umstände der Reise sind auch der konkrete Anlass und ihr Ziel unbekannt. Ein Besuch in Russland könnte darauf hindeuten, dass Kim eine Balance in den Beziehungen zu Russland und China sucht. In China könnte er sich wiederum über die Wirtschaftsreformen informieren wollen und weitere Hilfslieferungen sowie Unterstützung beim Atomstreit mit den USA erbitten.

China war Gastgeber mehrerer Gesprächsrunden mit Nordkorea, Südkorea, den USA, Japan und Russland über das nordkoreanische Atomprogramm. Derzeit liegen die Gespräche auf Eis, weil Nordkorea sich aus ihnen zurückgezogen hat.