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Archiv-Artikel

Die Heimat ruft

Globalisierung hat auch die Rückbesinnung auf Regionales zur Folge. Der direkte Bezugzur Nahrung ist gefragt. Dieses Bedürfnis greifen die Messepräsentationen der Bundesländer auf

VON TILMAN VON ROHDEN

Ein Rundgang über die Grüne Woche lässt keinen Zweifel aufkommen: Unsere Landwirtschaft ist keine nationale Angelegenheit. Bundesländer und Regionen scheinen die treibenden Organisationseinheiten zu sein. Längst geben sich die Länder nicht mehr mit einem eigenen Stand zufrieden. Eine ganze Messehalle möchte es schon sein. In diesem Jahr darf sich erstmals Sachsen-Anhalt als eigenständiger Hallenbetreiber rühmen. Damit das Nationale nicht ganz ausfällt, finden sich die Länder in der Halle der Centralen Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft zusammen (Halle 20).

Die vielen Bundesländer mit einer eigenen Halle legen den Verdacht nahe, Deutschland sei eine Ansammlung agrarischer Kleinstaaten. Der Arm, so der gewollte Eindruck, reicht kaum weiter als der Blick der Konsumenten auf das nächstliegende Gehöft. Das Gegenteil ist richtig. Deutschland ist in der EU der größte Agrarexporteur und der viertgrößte Importeur. Big Business statt Mief aus der Agrarprovinz.

Doch irgendetwas scheinen sich die Vermarktungsexperten ja davon zu versprechen, dass sie die Region betonen und nicht den echten, EU-gedehnten Markt in den Mittelpunkt stellen. Die einfachste Annahme heißt, so lässt sich am besten Geld verdienen. Doch den Widerspruch, dass die zahlenmäßig meisten Konsumenten nicht vor der Tür des Betriebs leben, sondern in den Weiten des EU-Raumes, kann diese Annahme nicht auflösen.

Vieles spricht für die These, dass die vielen Länderhallen, die gewandelte Bedürfnisstruktur der Konsumenten reflektieren. Während sie früher nur das menschliche Grundbedürfnis kannten, den Hunger zu stillen, und dies notgedrungener Maßen mit Produkten taten, die vor ihrer Haustür wuchsen, interessierten sie sich in den späten Nachkriegsjahren, als die Globalisierung in der Lebensmittelwirtschaft ihren Anfang nahm, zwar für fremdartige Lebensmittel, die nicht aus ihrem eigenen Umkreis entstammten. Doch war dieses Interesse aus der puren Neugierde auf unbekannte, wenn nicht exotische Geschmackserlebnisse getrieben. Die ganze Welt sollte Einzug auf die Teller der Konsumenten halten.

Doch Neugierde ist eine unstete Geisteshaltung. Sie erlischt allzu schnell. Und je weiter die Globalisierung fortschreitet, desto weniger Befriedigung zieht der Konsument aus seinen rein produktbasierten Erfahrungen. Übermaß macht sich breit. In dieser Phase will der Konsument neue Erlebnisse. Er interessiert sich nicht nur für das unmittelbare Produkt, sondern auch für die Umstände seiner Herstellung und seiner Herkunft. Dieses Wissen veredelt ihm den Genuss. Tendenzen der Regionalisierung wie auf der Grünen Woche sind die Kehrseite einer gleichmacherischen Globalisierung (siehe Interview auf dieser Seite).