: Punks rechtswidrig eingesackt
Vor dem Verwaltungsgericht Hamburg räumt die Polizei die Rechtswidrigkeit der Vertreibung von Punks aus Ottensen ein. Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Einsatzleiter und WM-Sicherheitskoordinator Thomas Model wegen Freiheitsberaubung
VON KAI VON APPEN
Hamburgs Polizeijuristen haben vor dem Verwaltungsgericht eingestanden, dass das Vorgehen gegen Punks in Ottensen rechtswidrig war und die Polizei sich somit einer Freiheitsberaubung schuldig gemacht hat. Doch diesmal bleibt es eventuell nicht beim einfachen Schuldeingeständnis: Bei der Staatsanwaltschaft laufen zurzeit Ermittlungen gegen den damaligen Einsatzleiter und heutigen WM-Sicherheitsbeauftragten des Senats, Thomas Model, wegen Freiheitsberaubung.
April 2005: Während der ersten frühlingshaften Tage versammeln sich in Ottensen Punks zu Freigelagen. Model, damals Revierleiter der Altonaer Wache Mörkenstraße, sind die feuchtfröhlichen Sessions ein Dorn im Auge. Sie würden dem Image eines „eventorientierten und erlebnisvollen Stadtteils“ schaden, hatte er öffentlich geäußert, und von daher eine „Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ darstellen. Mehrfach lässt er Bunthaarige attackieren, um sie aus Ottensen zu vertreiben.
So auch am 9. April: Zunächst räumen Polizeikräfte den Alma-Wartenberg-Platz – alles was nach linker Szene oder Punks aussieht, wird in Gewahrsam genommen. Auch Rolf Bahlo, der in der Gegend einen Tattoo-Shop betreibt (taz berichtete). Danach mischen PolizistInnen die Szene vor dem Einkaufszentrum Mercado auf: Punkige Jugendliche werden eingesackt. Unter ihnen auch Nina, Anna und Anja im Alter von 15 bis 18 Jahren (Namen geändert) und ein Freund. Sie werden im Gefangenenbus zur Wache Billstedt gebracht.
Dort werden die jungen Frauen zum dritten Mal durchsucht, wobei sich Nina nackt ausziehen muss. Allen werden Kleidungsstücke und Gegenstände wie Schuhe, Schmuck, Arm- und Halsbänder, Piercings, Gürtel und Kapuzenbänder abgenommen. Die BeamtInnen weigern sich überdies, Vertrauenspersonen oder Erziehungsberechtigte zu informieren. Auch als Anja über Schmerzen klagt, wird ihr eine ärztliche Behandlung oder eine Schmerztablette verweigert. Erst Nachts werden die vier vor die Tür gesetzt, nachdem ihre Daten in der „Punkerdatei“ gespeichert worden sind.
Während Bahlos Strafanzeige gegen Model wegen Freiheitsberaubung von der Staatsanwaltschaft eingestellt wurde, da er sich als Szene-Mensch zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort aufgehalten habe, klagt das Quartett parallel zu ihren Strafanzeigen durch ihre Anwältin Ulrike Donat vor dem Verwaltungsgericht. Im Verfahren räumt Polizeijustitiar Ulrich Ettemeyer schnell ein: „Die Freiheitsentziehung war rechtswidrig – dasselbe gilt für die Behandlung der Klägerinnen.“
Nach dem Ausgang dieses Verfahrens werden nach taz-Informationen die Strafermittlungen gegen Model nun intensiviert. Der WM-Sicherheitsbeauftragte machte unter Innensenator Ronald Schill Karriere, war sein Intimus als Büroleiter und sorgte für Wirbel, als er sich daran beteiligte, den Behördensprecher Hartmut Kapp wegen Differenzen mit Schill abzuschießen. Den Posten erhielt Schill-Fraktionssprecher Marc März. „Es waren ohnehin noch die vier Ermittlungsverfahren in der Sache anhängig“, erklärt der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Rüdiger Bagger. „Wenn die Polizeibehörde einräumt, dass das Vorgehen da rechtswidrig war“, so Bagger, müsse wohl auch das von Bahlo angestrengte Verfahren „wieder aufgenommen werden.“
Anwältin Donat verlangt nun für ihre MandantInnen Schmerzensgeld: „Dabei geht es vorrangig nicht ums Geld“, betont Donat: „Es muss endlich erreicht werden, dass sich die Polizeipraxis gravierend ändert.“