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Archiv-Artikel

Treffer bei der Stichprobe

VERGANGENHEIT Die Kunsthalle hat in ihrer Sammlung weitere vier Werke gefunden, die jüdischen Besitzern abgenommen worden waren

Nicht einmal die Hälfte der Gemälde hat eine lückenlose Herkunftsgeschichte

Seit zweieinhalb Jahren beschäftigt sich die Kunsthalle systematisch mit der Herkunft ihrer Werke. Und somit mit der Frage, ob sie welche besitzt, die ihren Eigentümern im NS-Staat weggenommen wurden. Die Kunsthalle Hamburg hat zu diesem Zweck schon sehr viel länger eine Provenienzforscherin eingestellt. Doch nun können auch die Bremer erste Ergebnisse ihres Forschungsprojektes vorlegen.

Dessen systematischer Ansatz war klug gewählt: Zunächst wird die Vorgeschichte der 500 Werke erforscht, die über drei in den 1930er und 1940er Jahren sehr aktive Kunsthändler in die Kunsthalle kamen: Arnold Blome, Heinrich Glosemeyer und Hugo Oelze. Blome zum Beispiel war 40 Mal im Auftrag der Kunsthalle bei Versteigerungen – auch bei den damals zahleichen „Juden-Auktionen“. Zudem war der umtriebige Bäckerssohn intensiv auf eigene Rechnung unterwegs. Nach dem Krieg verschenkte er einen großen Teil seines Kunstbesitzes – unter anderem an die Kunsthalle.

Womit die Museumsleute aber nicht gerechnet hatten: Blome verteilte seine Bilder nach dem Gießkannen-Prinzip: Eins für die Bremer Kunsthalle, eins ins Oldenburger Landesmuseum, eins nach Hamburg. So riss er die Sammlungen auseinander. Insgesamt profilierte er sich gegenüber 77 Museen an 55 Orten als großzügiger Donator. Den heutigen Provenienzforschern bescherte er damit eine Menge Mehrarbeit. „Man nahm ursprünglich an, dass er die Bilder in ganzen Konvoluten weitergegeben hat“, sagt die Kunsthistorikerin Brigitte Reuter.

Seit zweieinhalb Jahren bemüht sich Reuter in der Bremer Kunsthalle um Aufklärung – immer mit Jahresverträgen, die bisher zwei Mal verlängert wurden. Von den rund 500 fokussierten Werken konnte Reuter bislang 84 untersuchen. Primär wurde, wegen des vermuteten größeren materiellen Wertes, die Herkunft der 34 Gemälde unter den 500 Bildern erforscht. Reuters Ergebnis: Nicht einmal die Hälfte von ihnen weist eine lückenlose Herkunftsgeschichte auf, eine komplette Provenienz. Neben 14 Werken mit klarer Herkunft gibt es neun mit Lücken und elf, bei der die Provenienz insgesamt „offen“ ist. Klare Verdachtsmomente ergaben sich Reuter zufolge allerdings nicht.

Bei den 450 Papierwerken war die Trefferquote höher: Reuter beschränkte sich zunächst auf 50, die Blome im Auftrag der Kunsthalle ersteigert hatte. Reuter: „Bei vier sind die Voraussetzungen für die Rückgabe an die rechtmäßigen Erben gegeben.“

Allerdings: Die Kunsthalle selbst besaß nur noch eines der zu restituierenden Bilder. Die anderen gingen im Zweiten Weltkrieg verloren. Doch die „Rückenfigur einer Frau in faltigem Gewand“ des Barockmalers Giacomo Cavedone hat die Kunsthalle mittlerweile an die Erben der Sammlung von Michael Berolzheimer zurückgegeben.

Henning Bleyl

Vortrag: heute 18 Uhr, Kunsthalle