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Archiv-Artikel

Gentechnischer Nachschlag von der EU

MON 863, GA 21 und 863 x 810 – gleich drei neue genmanipulierte Pflanzen dürfen jetzt in Europa vermarktet werden. Dass sie starke Veränderungen im Blutbild von Versuchstieren hervorgerufen haben, stört die zulassende EU-Kommission wenig

AUS BERLIN WOLFGANG LÖHR

Die EU-Kommission hat drei weitere genmanipulierte Maissorten für die Vermarktung in Europa freigegeben. Die am Freitag erteilte Zulassung gilt zunächst für zehn Jahre und gestattet Import und Verarbeitung innerhalb der Europäischen Union.

Alle drei Maissorten gehören dem US-Biotechkonzern Monsanto. Insbesondere die Importgenehmigung für die Maissorte MON 863 löste Empörung bei Kritikern aus. „Die Zulassung ist grob fahrlässig, da bei dieser Sorte eindeutig die gesundheitliche Unbedenklichkeit für Mensch und Tier nicht gegeben ist“, warnt die grüne Europaabgeordnete Hiltrud Breyer. Fütterungsversuche mit dem Mais hätten bei Ratten zu „starken Veränderungen im Blutbild und an den Organen geführt“.

MON 863 ist mit einem Selbstschutz gegen Insektenfraß ausgestattet. Die Kommission genehmigte auch die Sorten GA 21 und 863x810. Bei GA 21 handelt es sich um Maispflanzen, die gegen das von Monsanto vertriebene Herbizid „Round up“ widerstandsfähig gemacht worden ist. 863 x 810 ist eine durch Kreuzung der beiden Monsanto-Pflanzen MON 863 und MON 810 entstandene Linie, die mit einer doppelten Insektenresistenz ausgestattet ist.

MON 810 ist seit längerem schon in der EU zugelassen. In Deutschland haben diese Pflanzen vor kurzem erst eine Zulassung vom Bundessortenamt erhalten. Sie darf nun unbeschränkt angebaut werden.

Während die beiden ersten Sorten als Lebensmittel oder Lebensmittelzutat vermarktet werden darf, ist 863 x 810 nur für die industrielle Verarbeitung zugelassen – zum Beispiel zur Gewinnung von Stärke, die in der chemischen Industrie verwendet wird. Angebaut werden dürfen die drei Sorten in der EU nicht.

Die Zulassung durch die Kommission erfolgte gegen den Willen mehrerer EU-Staaten. So hatten sich bei MON 863 im Ministerrat 14 EU-Staaten gegen die Zulassung ausgesprochen. Die Stimmen reichten seinerzeit jedoch nicht aus, um den Zulassungsantrag von Monsanto zu kippen. Da im Ministerrat auch keine Mehrheit für die Zulassung zustande kam, durfte die Kommission allein entscheiden.

„Dieses Verfahren war auch schon der Fall bei den anderen drei Gentechpflanzen, die die Kommission seit August 2005 zugelassen hat“, erklärte Helen Holder von der Organisation „Friends of the Earth“. Das „undemokratische Zulassungsverfahren“ erlaube der Kommission, Genehmigungen zu erteilen, ohne qualifizierte Mehrheit der EU-Staaten, kritisiert Holder. Sie verweist auch auf 70 Prozent der Europäer, die sich gegen Gentechnik im Essen aussprechen, und die wachsende Anzahl der europäischen Regionen, die sich für „gentechnikfrei“ erklären.

Um ihre gentechnikfreundliche Politik durchzusetzen, hatte die Kommission vor kurzem die griechische Regierung verwarnt. Griechenland weigert sich seit Anfang 2005, den Gentechmais MON 810 ins Land zu lassen, obwohl eine EU-Zulassung vorliegt. Nach EU-Recht ist das möglich, wenn begründeter Verdacht besteht, dass von den Pflanzen ein Risiko für Mensch oder Umwelt ausgeht.