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Kleine Brötchen backen

JUBILÄUM Der Berliner Lyrikverlag Kookbooks feiert sein zehnjähriges Bestehen mit einem rauschenden Fest

Daniela Seel träumt von einer großzügigen Verlagsförderung wie in Österreich

VON DETLEF KUHLBRODT

Vor zehn Jahren gründeten die 28-jährige Dichterin und Lektorin Daniela Seel und der Grafiker Andreas Töpfer Kookbooks. Zehn Jahre und 55 Bücher später gilt der Verlag als einer der renommiertesten deutschen Verlage. Die Liste der Autoren, die hier ihre Heimat und Zuflucht gefunden haben, liest sich wie ein Lexikoneintrag „Deutsche Lyrik des 21. Jahrhunderts“, verfasst im Jahre 2050.

Schöne Gestaltung

Jede Lyrikbibliothek ohne Kookbooks ist eine traurige Sache, schreibt die Literaturwerkstatt Berlin auf ihrer Website. Vor allem auch, weil die Bücher des Verlags so schön gestaltet sind, ohne dabei in die Falle des Prätentiösen zu gehen. Überall gibt es Lobeshymnen, Preise für Verleger und Autoren und Einladungen in ferne Länder. Nur mit dem Geld funktioniert es gerade so weit, dass man weitermachen kann. „Immer am Rand des Prekären oder darüber hinaus verstehen wir Kookbooks 2013 mehr denn je als notwendiges Institut zur Dichter_innenselbstverteidigung“, so die Verleger.

Die ersten zehn Jahre standen unter dem vieldeutigen Motto „Poesie als Lebensform“. Das Geburtstagsfest am Dienstagabend im „Theaterdiscounter Berlin“ ist mit „das ammortisiert sich nicht“ unterschrieben. Mehr als 200 zumeist unter 30-jährige Besucher sind gekommen. 19 Dichter und Dichterinnen lesen in Viererblöcken auf zwei Bühnen, teils begleitet von Andreas Töpfer, der auf einem Overheadprojektor live illustriert, und Monika Rinck, die eine „Semmelperformance“ aufführt: Sie backt kleine Brötchen in einer Mikrowelle. Ein Lieblingssatz an diesem Abend kommt von Tom Schulz: „Ich lese noch drei Gedichte. Ich habe mir die Mühe gemacht, sie zu schreiben, und lese sie deshalb auch.“ Ein anderer von Ulf Stolterfoht: „Es kann ja doch nur eines geben: Bautzener Straße, Ecke Großgörschener“.

Es ist ein bisschen wie auf dem Open-Mike-Wettbewerb, nur ohne dieses tendenziell paternalisierende Brimborium. Ich stehe mit dem Literaturagenten Axel Haase am Rande und unterhalte mich über früher und finde seinen Klienten Pierangelo Maset später auch ziemlich gut.Vor 20 Jahren war viel weniger Publikum.

Die Dichter waren vor allem Männer; irgendwie noch in der subkulturellen Pose der Beatniks, oft auf Krawall gebürstet. Das dichterische Leben war ein existenzieller Entwurf, der oft mit existenziellem Pathos performt wurde. Dass sie im Osten von der Stasi beobachtet und unterwandert waren, lieh ihnen eine übertriebene politische Bedeutung. „Underground“ war eine Schimäre.

Mittlerweile ist alles zugleich größer – es gibt mehr Dichter und Dichterinnen sowie ein größeres Publikum – und weniger posenhaft. Das Beatnikmäßige, das so lange als Rolemodell junge Leute dazu brachte zu schreiben, war trotzdem präsent. Alle rauchten in den Pausen, während im Hintergrund fast durchgehend Musik von David Bowie lief.

In einem Nebenraum unterhalte ich mich mit Daniela Seel. „Romanhaftes Erzählen im traditionellen Sinne langweilt mich einfach, wenn ich so was will, dann gucke ich lieber Fernsehen“, sagt die Verlegerin und Dichterin und dass sie an Formen interessiert sei, „die sich dem einfachem Konsum entziehen“.

Während mir die Unterschiede zur Post-DDR-Dichterszene um den Galrev-Verlag und das Verlagscafé Kyril auffallen, erzählt sie von Kontinuitäten. Ihre erste Veranstaltung hätte sie 1998 im Kyril gemacht; einige Dichter aus jener Zeit wie Gerhard Falkner und Johannes Jansen veröffentlichen auch bei Kookbooks. Sie träumt von einer Verlagsförderung, wie es sie etwa in Österreich gibt.

Ich frage die Verlegerin, weshalb die so ausgesprochen schick und aufwendig gestaltete Geburtstagstorte bislang von niemandem angerührt wurde. Sie hätte sie anschneiden sollen und wollen, nur hatte sie während der Eröffnung des Büfetts ein Interview. Und nun musste sie ja noch mit mir sprechen.

Ich schäme mich. Im Hintergrund hat die in Berlin lebende australische Singer-Songwriterin Kat Frankie gerade mit ihrem Geburtstagsständchen begonnen. Von Weitem klingt sie wie David Bowie. Jemand singt so liedermachermäßig „Man nahm uns Klassenfahrt und Freizeit und den Sportverein“, und ich denke an die Fußballerinnen-Hymne „Bianca Schmidt“ von The Schwarzenbach.

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