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Der Mann, der ein Wunder will

Journalist Der Spiegel“ steht nicht uneitel im Kopf von Gabor Steingarts privater Homepage – aber nicht mehr lange. Denn Steingart, derzeit Washington-Korrespondent des Hamburger Nachrichtenmagazins, wird Chefredakteur des Handelsblatts. „Zum frühestmöglichen Zeitpunkt“, angeblich schon nach Ostern, soll Steingart nach dem Willen seines neuen Arbeitgebers die Düsseldorfer Redaktion von Bernd Ziesemer übernehmen, der zum 1. November in die PR-Branche wechselt.

„Ehre und Herausforderung zugleich“ nennt Steingart diese Personalie auf seiner Website in demonstrativer Demut. Doch seine Ziele sind ehrgeizig: Nicht weniger als „das Wunder von Hamburg“ will er gemeinsam mit Verleger Dieter von Holtzbrinck auf dem Gebiet des Wirtschaftsjournalismus wiederholen: den Erfolgskurs des Holtzbrinck-Wochenblatts Zeit unter Chefredakteur Giovanni di Lorenzo und Verlagsleiter Rainer Esser nämlich. Kosten darf das allerdings am besten nichts. Das Handelsblatt muss sparen.

Steingart und sein Verleger kennen sich schon seit mehr als zwei Jahrzehnten: Der heute 47-Jährige gehörte nach dem Volkswirtschafts- und Politikstudium zum ersten Volontärsjahrgang der von Dieter von Holtzbrinck mitgegründeten Georg-von-Holtzbrinck-Journalistenschule und war danach kurz Reporter der Wirtschaftwoche. Seit 1990 arbeitet er beim Spiegel, wo er bis zum Leiter des Hauptstadtbüros und Kronprinz des damaligen Chefredakteurs Stefan Aust aufstieg. Als Steingart im März 2007 mit dem Versuch scheiterte, sich in die Geschäftsführung der mächtigen Mitarbeiter-KG wählen zu lassen, war klar, dass er Aust nie beerben würde. Daraufhin ging Steingart im Sommer 2007 nach Washington, „auf jenen Posten, von dem ich schon als Jugendlicher träumte“, schreibt er auf seiner Website. Wenn das Ex-Juso- und kurzzeitige SPD-Mitglied Steingart, mittlerweile berühmt-berüchtigt für steile neoliberale Thesen, ankündigt, die Stimme des Handelsblatts solle unter seiner Führung „noch deutlicher zu vernehmen sein“, kann man das auch durchaus als Drohung verstehen. Entsprechend reserviert dürfte ihm die von derlei Lautsprecherei bislang unberührte Redaktion begegnen. DAVID DENK

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