piwik no script img

Archiv-Artikel

Staatsknete nur nach Volksabstimmung

Die Grünen habe eine Idee aus der Schweiz aufgegriffen: Demokratie fängt beim Geld an. Über große Investitionen ab zehn Millionen Euro soll es Volksabstimmungen geben. Und die Wirtschaftsförderung soll kleine Existenzgründer stark machen

Von kawe

Bremen taz ■ „Der Wind bläst uns übel ins Gesicht“, sagt Karoline Linnert, Fraktionschefin der Grünen. „Uns“, das ist in diesem Falle das um seine Selbständigkeit ringende Bremen. Und beinahe trotzig klingt ihre Antwort auf die Frage, ob sie denn überhaupt noch eine Chance sehe, die erforderlichen Finanzhilfen einzuklagen: „Wer nicht kämpft, hat schon verloren.“ Wobei die Vorstellung, dass Bremen eine Stadt in Niedersachsen werden könnte, kein Grund sei, sich „in die Weser zu stürzen“, sagt sie. Existentiell betreffen würde das nur die politische Führung, deren Sonderkosten schlicht gestrichen würden.

Die Grünen wollen, das haben sie auf einer Klausurtagung bekräftigt, den Klageweg des Bremer Senats unterstützen, allerdings unter zwei klaren Bedingungen: Der Bremer Senat müsse offiziell Fehler einräumen und mehr „Eigenanstrengungen“ vorweisen, sprich: bei den Investitionsausgaben kürzen. Die Große Koalition sei über Jahre „berauscht vom Geldausgeben“ gewesen, das dürfe nicht nachträglich schöngeredet werden.

Und zur politischen Strategie hat Linnert auch einen guten Tipp für den Senat: Anstatt sich verbale Gefechte über die Medien zu liefern, sollte Bürgermeister Jens Böhrnsen doch lieber Thilo Sarrazin mal in den Ratskeller einladen. Bremen sei völlig isoliert – es habe die anderen Stadtstaaten gegen sich und sich auch bei den SPD-geführten Ländern unbeliebt gemacht durch die Strategie von Henning Scherf, die Linnert so beschreibt: „Die haben sich doch an die Bayern rangeschmissen.“ Das kam bei den anderen armen Bundesländern nicht gut an.

Für die Investitionsquote haben die Grünen einen radikalen Vorschlag aus der Schweiz aufgegriffen: Investitionen oder Zuschüsse von mehr als zehn Millionen Euro sollten, diese Idee wurde auf der Klausur zur offiziellen Linie erklärt, per Volksabstimmung denen vorgelegt werden, die über ihre Steuern am Ende dafür zahlen müssen. Oder bei denen die Zinslasten als Kürzungen im Bildungs- und Kita-Bereich ankämen. Linnert ist sich sicher, dass für Krankenhaus-Investitionen und andere sinnvolle Dinge eine Mehrheit zu bekommen wäre, zweifelhafte Investitionen wie die Gewerbeflächenerschließung der Arberger Marsch oder der Space Park wären möglicherweise gestoppt worden. Die Volksabstimmungen würden ein ganz „neues Politikfeld“ abgeben, die Bürger würden in die Verantwortung genommen, das Ganze könnte in Bremen modellhaft für Deutschland ausprobiert werden.

Klaus Möhle, der Wirtschaftspolitiker der Grünen, forderte parallel dazu eine Neuorientierung der Wirtschaftsförderung: Die vorhandenen Mittel sollten für die Förderung kleiner Unternehmen und Existenzgründer ausgegeben werden, anstatt der Schimäre der großen Ansiedlungserfolge nachzulaufen. Die Kleinen würden schon in dem opulenten Eingangsportal der „BIG“ (Bremer Investitionsgesellschaft) merken, dass sie da offensichtlich nicht gemeint seien. Betreuung aus einer Hand sei für Existenzgründer noch wichtiger als für die Großen. kawe