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Archiv-Artikel

Schutzgebiet lässt Federn

Kurz vor Ablauf der EU-Meldefrist ist von fünf seltenen Vogelarten auf Eiderstedt durch die Politik des schleswig-holsteinischen Umweltministers Christian von Boetticher nur noch eine übrig geblieben

von Esther Geißlinger

Die Trauerseeschwalbe kann sich mächtig was einbilden: Jahrelang galt sie nur als eine von fünf seltenen Vogelarten auf der Halbinsel Eiderstedt – plötzlich ist sie die einzige, die sich dort zu schützen lohnt. Kiebitz? Nonnengans? Uferschnepfe? Spielen alle keine Rolle mehr. Und schon gar nicht die Goldenregenpfeifer, die ohnehin nur auf der Durchreise von Skandinavien auf der Halbinsel zu rasten pflegen.

Das sagen zumindest Schleswig-Holsteins Umwelt- und vor allem Landwirtschaftsminister Christian von Boetticher (CDU) sowie ein Arbeitskreis, der in den vergangenen Monaten beraten hat, wo und wie auf Eiderstedt Schutzgebiete eingerichtet werden sollen. Gestern präsentierte von Boetticher die Ergebnisse in Husum. Die Zahlen waren bereits in der vergangenen Woche durchgesickert, sie haben sich bestätigt: Statt rund 20.000 Hektar nach Brüssel zu melden – wie von Boetticher Amtsvorgänger Klaus Müller (Grüne) geplant – werden es nun nur rund 2.500 bis 3.000 Hektar, verteilt auf drei Flächen.

Eben dort hatten sich rund 50 Trauerseeschwalbenpaare in den vergangenen Jahren zum Brüten niedergelassen. Und selbst um diese paar Stellen ließe sich noch streiten, deutete Hans Friedrichsen an: Der Sprecher der Anti-Schutzgebiet-Initiative „Pro Eiderstedt“ und Vorsitzende des Kreisbauernverbandes Husum-Eiderstedt spekulierte: „Könnte ja sein, dass die Vögel auf ganz natürlichem Wege verschwinden – soll dann versucht werden, das Gebiet zu halten?“ Dazu nickte von Boetticher nachdenklich.

Umweltschützer und auch die Grünen im Landtag bezweifeln, dass die Pläne des Ministers durchkommen: „Eine Reduzierung auf die Brutgebiete und auf nur eine Vogelart hat die EU schon früher als unzureichend abgelehnt“, sagt Karl-Martin Hentschel (Grüne).

Von Boetticher sieht drohenden Ärger mit Brüssel gelassen: „Die EU-Vorgaben werden eins zu eins umgesetzt. Ich selbst habe das größte Interesse, dass es mit Seriosität geschieht.“ Denn wenn die Bundesrepublik Strafe zahlen muss, weil sie die Vogelschutzrichtlinien nicht erfüllt, könnte der Bund die Kosten auf die Länder abwälzen. „Naturschutzfachlich sind wir auf der sicheren Seite“, betonte der Minister.

Unter anderem sei ein Gutachten des „Kölner Instituts für Faunistik“ Basis der Entscheidung gewesen. Das dient schon seit Jahren als Munition der Schutzgebietsgegner, hat allerdings den Schönheitsfehler, dass es von ihnen auch bezahlt wurde.

Überhaupt: Im Arbeitskreis saßen Landwirte, aber keine Vogelschützer: Weil sie kaum Stiftungsland in der Region besäßen, erklärte der Minister der Jäger und Bauern. Mit denen will von Boetticher keinen Streit – und schon mal ganz gewiss nicht in Eiderstedt, wo bei Protestdemos schon brennende Strohballen rollten. Um die Brüsseler Richtlinien umzusetzen, habe er weitere Gebiete im Land auf die Meldeliste gesetzt, erklärte von Boetticher: „Ich handle mir dort Ärger ein, aber ich mache es, weil es rechtlich geboten ist.“

Allerdings wird auch im benachbarten Eider-Treene-Sorge-Gebiet das geplante Schutzgebiet kleiner ausfallen: Dort gilt jetzt der Zwergschwan als die bestimmende Art, andere werden mitgeschützt, wenn es gerade passt. Die Gebiete, die der Minister vorschlägt, können durch freiwillige Vertragsnaturschutzflächen ergänzt werden – allerdings nur, wenn sie an die Brutgebiete angrenzen.

Das dürfte einige Landwirte verprellen, die auf Ausgleichszahlungen gehofft hatten, wenn sie ihre Wiesen den Vögeln überlassen. Andere wiederum ärgern sich darüber, dass überhaupt Gebiete unter Schutz gestellt werden: Vor der Wahl hatten manche verstanden, Peter Harry Carstensens CDU könnte jeden Vogelschutz verhindern.

Immerhin: Gegen die Pläne des Ministeriums darf geklagt werden – fürsorglich will von Boetticher ein Landschaftsschutzgebiet ausweisen. Damit nämlich müssen die Landwirte, deren Flächen in Schutzzonen liegen, nicht auf Brüsseler Entscheidungen warten, sondern können bald vor Gericht ziehen. Denn aktive Landwirtschaft, betonte der Minister, sei noch immer der beste nur denkbare Naturschutz: „Diese Vögel sind Kulturfolger.“ Kommende Woche wird das Kabinett über die Schutzgebiete im Land beraten - dann wird sich vielleicht auch die SPD äußern. Bisher sei der Koalitionspartner noch „in der intensiven Debatte“, sagte von Boetticher.