: Der Steuerrebell
Warum brauchen Steuerberater eigentlich eine eigene Lobbyorganisation – die Bundessteuerberaterkammer, kurz: BStBK? Eine nachvollziehbare Antwort wäre etwa: damit Steuergesetze auch morgen noch auf keinen Bierdeckel passen und Steuerberatern genug Arbeit bleibt.
Aber so einfach ist es nicht. Die BStBK leidet offenbar unter einer Art Stockholm-Syndrom, sie hat sich die Sorgen ihrer gut verdienenden Mandanten zu eigen gemacht. Beim Deutschen Steuerberaterkongress 2013 in Dresden, dem jährlichen Branchentreff, kämpfte ihr Präsident Horst Vinken gegen höhere Steuern für Reiche („Wir machen oft die Erfahrung, dass unsere Mandanten nicht nachvollziehen können, wofür der Staat das Geld ausgibt“), gegen den Ankauf von Steuer-CDs („der Staat ist damit kein Vorbild für den Bürger“), gegen die Wiedereinführung der Vermögensteuer, die aktuelle Erbschaftsteuer („erhebliche Gerechtigkeitsdefizite“) und gegen ein Ende der strafbefreienden Selbstanzeige („sinnvoller Bestandteil der deutschen Rechtskultur, die schon in der Reichsabgabenordnung von 1919 enthalten war“). Schöner könnte man es auch in Starnberg und im Taunus nicht formulieren.
Fast wäre es ein gelungener Kongress für Vinken geworden, hätte es da nicht diesen Lapsus gegeben: Die wichtigste Aufgabe des Steuerberaters sei es, die gesetzlichen Möglichkeiten für seine Kunden auszuschöpfen, sagte er: „Das ist legale Steuerhinter… äh, Steuergestaltung.“ Die Grenzen zwischen Recht und Unrecht, sie scheinen im Steuerrecht recht fließend zu sein.
Im letzten Herbst hatte sich Vinken vor dem Bundestag übrigens für das Steuerabkommen mit der Schweiz ausgesprochen, das Steuerhinterzieher straffrei stellen sollte. Ganz im Sinne der Mandanten. MARTIN REEH