Eiskalte Allianz

Das deutsche Eislaufduo Aljona Sawtschenko und Robin Szolkowy gewinnen bei der EM Silber. Experten prognostizieren ihnen eine rosige Zukunft

AUS LYON ANDREAS WAGNER

Ihre Medaille wollte Aljona Sawtschenko so schnell nicht mehr weglegen. Sie nahm sie in die Hand, schaute sie an, drückte sie ganz fest an sich. „Das ist mein allerschönstes Geburtstagsgeschenk“, sagte die zierliche Eiskunstläuferin. Es war ein vorzeitiges Präsent, denn erst gut zwei Stunden später stieß sie mit Sekt auf ihren 22. Geburtstag an.

Für Sawtschenko waren die Stunden am späten Mittwochabend in Lyon die schönsten ihres bisherigen Lebens. Innerhalb kurzer Zeit erfuhr sie, dass ein Stuttgarter Juwelier ihr erster Sponsor sein würde, am Ende folgte der Geburtstag – und dazwischen ein kaum für möglich gehaltener sportlicher Erfolg. Mit ihrem Partner Robin Szolkowy (26) wurde sie vor 4.000 Zuschauern EM-Zweite. Nur die fünffachen russischen Europameister Tatiana Totmianina/Maxim Marinin waren besser. Sawtschenko: „Das kann ich gar nicht fassen.“

Eine Medaille hatten die Experten dem in Chemnitz wohnenden Paar zugetraut. Nach dem Kurzprogramm am Mittwoch, als die Deutschen noch auf Rang drei gelegen hatten, erschien aber nur Bronze in Reichweite. Es wurde Silber, obwohl die gebürtige Ukrainerin zweimal nach Sprüngen auf beiden Füßen gelandet war, was Punktabzug gibt.

Als diese Erkenntnisse in den Köpfen der Athleten die momentane Freude verdrängten, wurden neue Ziele ausgegeben: „Wenn wir schon mit Fehlern Zweiter wurden, können wir mit einer sauberen Kür ganz nach vorn kommen“, sagte Sawtschenko. Später wurde sie noch deutlicher: „Nächstes Jahr wollen wir kein Silber, dann wollen wir Gold.“ Ihr Partner nickte. Dass das neue deutsche Traumpaar exzellente Chancen auf einen solchen Erfolg hat, stand am Mittwochabend außer Frage – zumal Totmianina/Marinin nach dieser Saison zurücktreten wollen. „Aljona und Robin ist alles zuzutrauen“, sagte Reinhard Mirmseker, Präsident der Deutschen Eislauf-Union (DEU), „sie können im März sogar Weltmeister werden, wenn nach Olympia schon einige Paare aufhören sollten.“ Und Trainer Ingo Steuer blickte ganz weit in die Zukunft: „Sie können zu Legenden werden.“

Den märchenhaften Hintergrund für eine legendäre Karriere haben die beiden. Die neuen deutschen Hoffnungsträger kamen auf recht unromantische Weise zusammen. Weil der in Greifswald geborene Sohn eines Tansaniers und einer Sächsin im Sommer 2003 jedem sein Leid klagte, keine geeignete Partnerin für seinen Sport zu finden, steckte ihm ein russischer Journalist die E-Mail-Adresse einer ukrainischen Läuferin zu. Szolkowy schrieb, Sawtschenko antwortete. Wenige Wochen später trafen sie sich zum ersten Mal in Chemnitz. Ein kurzes Probetraining reichte aus, um eine sportliche Allianz einzugehen. Sie gewannen den ehemaligen Weltklasse-Paarläufer Steuer als Trainer, und die Erfolgsstory konnte beginnen.

Schnell avancierte der Name Sawtschenko/Szolkowy international zur Marke. Ihr vierter Rang bei den Europameisterschaften in Turin im vergangenen Jahr hat sie in die Weltspitze katapultiert. Als sie im Oktober dann auch noch den Grand-Prix „Skate Canada“ gewannen, „haben sie endgültig bewiesen, dass sie zu den Besten der Welt zählen“, wie Mirmseker sagt. Allein Sawtschenkos deutscher Pass, ohne den sie zwar bei EM und WM starten darf, nicht aber bei Olympia, fehlte zuletzt noch. Vor drei Wochen bekam sie ihn dann aber per Ausnahmegenehmigung vom sächsischen Innenministerium. Nun ist sie also bei Olympia in Turin startberechtigt.

Der Gewinn der Silbermedaille kurz vor den Olympischen Spielen gibt der Sportart in Deutschland neue Hoffnung. Neun Jahre nachdem Mandy Wötzel und Ingo Steuer letztmals eine Silbermedaille nach Deutschland geholt hatten, gibt es in dieser Disziplin wieder etwas Vorzeigbares. Und ausgerechnet Steuer ist nun Trainer dieses Erfolgsduos. „Ich habe damals mit Mandy mit EM-Silber aufgehört, jetzt haben wir da weitergemacht“, sagt er.

Die Voraussetzungen für das aktuelle Paar sind allerdings viel besser als damals. „Aljona und Robin ziehen das Publikum an wie ein Magnet, das war bei uns nicht so“, sagt Steuer. Und Präsident Reinhard Mirmseker vergleicht Sawtschenko gar mit Eislauf-Ikone Katarina Witt. „Sie hat eine ähnliche Ausstrahlung wir Kati. Wenn sie einen Raum betritt, hört man erst einmal ein Raunen.“ Und so gab es in Lyon schon kräftigen Applaus für das Paar, bevor überhaupt die Kür begann.