„Wir tappen immer noch im Dunkeln“

Dem Parlamentarischen Kontrollgremium fehlen die Mittel zur Aufklärung der BND-Affäre, meint Wolfgang Neskovic. Der Jurist, der für die Linke im Parlament sitzt, fordert die Umwandlung des Gremiums in einen Untersuchungsausschuss

Herr Neskovic, Sie gehören dem Parlamentarischen Kontrollgremium an. Dieses hat die beiden im Irak eingesetzten BND-Beamten sechs Stunden lang angehört. Was können und dürfen Sie uns nach der Sitzung dazu sagen?

Wolfgang Neskovic: Inhaltlich darf ich dazu gar nichts sagen. Ich darf allerdings die Presseerklärung bewerten, die das Kontrollgremium nach der Sitzung herausgegeben hat. Das lasse ich mir auch nicht nehmen.

Und wie bewerten Sie die?

In der öffentlichen Wahrnehmung wird die Erklärung aufgefasst, als sei der BND entlastet worden und ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss damit überflüssig geworden. Das ist falsch. Das PKG ist grundsätzlich nicht geeignet, eine umfassende Klärung herbeizuführen. Ihm sind die dafür notwendigen Mittel gar nicht an die Hand gegeben. Das PKG ist ausschließlich auf Informationen der Bundesregierung angewiesen und es kann die Mitarbeiter der Dienste nur anhören. Darüber hinaus sind ihm auch nur die Beweismittel zugänglich, die die Bundesregierung zur Verfügung stellt. Und anders als bei einem Untersuchungsausschuss unterliegen die Mitarbeiter, die gehört werden, nicht dem Zeugenstatus. Das heißt, sie unterliegen nicht der strafbewehrten Wahrheitspflicht.

Ich würde mir wünschen, dass sich das PKG in so einem bedeutsamen Fall in einen Untersuchungsausschuss umwandeln könnte. Dann hätte es die notwendigen Mittel zur Aufklärung des Sachverhalts.

Der Vorsitzende des PKG, Norbert Röttgen, hat nach der Sitzung erklärt, das PKG habe einstimmig geurteilt: „Die BND-Mitarbeiter haben glaubhaft bekundet, in keiner Weise – weder bei der Vorbereitung noch bei Planung oder Durchführung – an der Bombardierung des Restaurants im Stadtteil Mansur mitgewirkt zu haben.“

Diese Passage ist die einzige wertende Aussage in dem Beschluss des PKG. Auch sie ist nur vor dem Hintergrund zu verstehen, dass wir keine anderen Aussagen haben. Wir haben keine anderen Zeugen – wenn es diese denn geben sollte – angehört, deren Aussagen wir denen der BND-Mitarbeiter entgegenstellen könnten. Der Begriff „glaubhaft“ sagt auch nichts anderes, als dass die Aussagen in sich für schlüssig befunden werden können. Das hat aber überhaupt keine weitere Beweiswirkung. Wir haben letzten Endes nur gesagt: Diese Erklärung ist in sich schlüssig. Mit der Formulierung „glaubhaft bekundet“ hat das Gremium mitnichten zum Ausdruck gebracht, dass alles richtig ist, was die Angehörten ausgesagt haben.

An einem Untersuchungsausschuss führt Ihres Erachtens demnach kein Weg vorbei?

Auf keinen Fall. Ein Untersuchungsausschuss hat die Möglichkeiten für eine umfassende Aufklärung. Eine solche fundierte Untersuchung kann das Kontrollgremium nicht leisten.

Im Parlamentarischen Kontrollgremium verfügt die Regierung über eine bequeme Zweidrittelmehrheit, mit der sie alle Entscheidungen ohne die Stimmen der Opposition treffen kann. Kann das PKG somit überhaupt eine effektive Kontrolle ausüben?

Aus meiner Sicht ist das PKG vollkommen ungeeignet. Nicht nur dass die Mitglieder des PKG nicht über die zureichenden Mittel verfügen. Das Innenleben der Geheimdienste ist uns zum Beispiel nicht vertraut. Wir verfügen auch nicht über die Mitarbeiter, die uns mit den notwendigen Informationen versorgen können: Mitarbeiter, die vielleicht früher einmal in den Geheimdiensten beschäftigt waren.

Wir tappen weitgehend im Dunkeln. Und auch wenn man scharfsinnig nachfragt: das setzt natürlich immer voraus, genügend Kenntnisse über den Sachverhalt zu besitzen. Das Gremium ist in seiner Struktur aber laienhaft. Wer eine effektive Kontrolle wünscht, der kann ein solches Gremium mit einer solchen Ausstattung nicht wollen.

Zur Begründung heißt es immer, bestimmte Vorgänge unterliegen der Geheimhaltung – die können aus Sicherheitsgründen nicht öffentlich erörtert werden.

Das hat absurde Folgen. Ich habe zum Beispiel niemanden, mit dem ich die Berichte in der PKG reflektieren kann. Die Geheimhaltung blockiert in unerträglicher Weise eine sachgerechte Befassung, die eine ernsthafte Kontrolle überhaupt erst ermöglichen würde.

Darüber hinaus haben die PKG-Mitglieder viele andere Funktionen und Tätigkeiten. Man muss sich ja erst einmal die Zeit nehmen können, sich auf die Sitzungen des Gremiums vorzubereiten. Das PKG wird so auf ein Berichterstattungsgremium reduziert: Die Bundesregierung trägt vor, und das kann dann vom Gremium mehr oder weniger zur Kenntnis genommen werden.

INTERVIEW: WOLFGANG GAST