: Aufruf zum „Schottern“ ist eine Straftat
PROZESS Der Linken- Bundestagsabgeordnete Diether Dehm und ein Sprecher der Kampagne „Castor Schottern“ haben sich in Lüneburg dazu bekannt. Das Gericht verurteilte beide, doch die Anklage erkannte auch altruistische Motive
Wegen eines Aufrufs zum sogenannten Schottern hat das Amtsgericht Lüneburg den Linken-Bundestagsabgeordneten Diether Dehm zu einer Geldstrafe von 2.250 Euro verurteilt. In der Unterzeichnung des Internet-Aufrufs zum massenhaften Herauswühlen von Schottersteinen entlang der Castor-Strecke Richtung Gorleben sah die Richterin am Dienstag eine öffentliche Aufforderung zu Straftaten.
Sie folgte der Staatsanwaltschaft und verurteilte Dehm zu 15 Tagessätzen von jeweils 150 Euro (Az: 15 Cs 5102 Js 27948/10 [309/12]). Mit dem „Schottern“ wollten Atomkraftgegner Castor-Transporte nach Gorleben stoppen.
Dehm bekannte sich dazu, im Herbst 2010 unterzeichnet zu haben. Der 63-Jährige berief sich vor Gericht auf das nach seiner Ansicht legitime Recht zum zivilen Ungehorsam. Mit seiner Verurteilung sah er den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt, nachdem der thüringische Linken-Landtagsabgeordnete Frank Kuschel am 2. Mai freigesprochen worden war. Kuschel hatte sich auf die Landesverfassung berufen, nach der Abgeordnete außer bei verleumderischen Beleidigungen nicht für Äußerungen verfolgt werden dürfen, die sie innerhalb oder außerhalb des Landtags getan haben. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, die Anklage will es höchstrichterlich prüfen lassen (Az.: 14 Cs 5103 Js 29307/10 [343/12]).
Ein Bundestagsabgeordneter könne nicht weniger Rechte als der Landtagsabgeordnete Kuschel haben, erklärte Dehm am Dienstag. Er kündigte an, juristisch für einen Freispruch kämpfen zu wollen. „Wir werden alle Wege gehen bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte“, sagte der Bundestagsabgeordnete aus Hannover. Die Anklage hatte dem Spitzenkandidaten der niedersächsischen Linken für die Bundestagswahl bescheinigt, durchaus das Gemeinwohl im Blick gehabt zu haben. Wegen öffentlichen Aufrufs zu einer Straftat wurden in dem Zusammenhang bereits die Linken-Abgeordneten Jan van Aken, Sevim Dagdelen und Inge Höger zu Geldstrafen verurteilt.
Dienstagnachmittag musste sich auch ein Pressesprecher der Kampagne „Castor Schottern“ vor dem Amtsgericht verantworten. Mischa Aschmoneit wurde zu einer Geldstrafe von 800 Euro verurteilt. Die Richterin sah altruistische Motive und verhängte 40 Tagessätze von jeweils 20 Euro (Az.: 15 Cs 5101 Js 25941/11 [142/12]).
Der Angestellte eines Kulturzentrums hatte sich zu seiner Tätigkeit bekannt. „Niemand hat das Recht, Atomkraftwerke zu bauen oder zu betreiben – es ist Unrecht, es ist ein Verbrechen“, erklärte der 44-Jährige vor Gericht. Widerstand sei geboten gewesen.
Auch ihm hielt die Staatsanwaltschaft eine Gemeinwohlorientierung zugute. Es sei Aschmoneit ernsthaft darum gegangen, auf Gefahren aufmerksam zu machen. (dpa)