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Archiv-Artikel

Rückzug auf den Boden der Verfassung

Bei der Bundestagsdebatte über den Muslim-Test in Baden-Württemberg waren sich SPD und Opposition in ihrer Kritik einig. Der Stuttgarter Innenminister Heribert Rech (CDU) verteidigte seinen Fragebogen. In seiner Partei geht der Streit jedoch weiter

AUS BERLIN DANIEL BAX

Heribert Rech hatte einen schweren Stand. Doch auch bei der von den Grünen initiierten Debatte im Bundestag verteidigte der baden-württembergische Innenminister noch einmal seinen umstrittenen Muslim-Test. Er zog sich dabei hinter eine klare Verteidigungslinie zurück: Wer Deutscher werde wolle, der müsse sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen, so Rech (CDU). An diesem Minimalkonsens herrschten am Donnerstag im Bundestag allerdings auch keine Zweifel.

Dafür umso mehr an Rechs Initiative. Auf ihn geht es schließlich zurück, dass Einbürgerungswilligen vor allem aus muslimischen Ländern in Baden-Württemberg seit Januar ein Fragebogen vorgelegt werden soll, der unter anderem Fragen zur Homosexualität und zur Gleichberechtigung von Mann und Frau enthält. Dieser so genannte Muslim-Test ist quer durch alle Parteien umstritten. Die Grünen hatten im Bundestag einen Antrag gestellt, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, die Verwaltungsvorschriften zu ändern und auf die baden-württembergischen Behörden einzuwirken, sich rechtmäßig zu verhalten. Für sie ist er schlicht ein „Gesinnungstest“. Sie bekamen am Ende allerdings keine Mehrheit.

Im Bundestag beteuerte Rech nun, es sei alles nicht so gemeint gewesen. Es gebe vielmehr eine „massive Fehlinterpretation“, denn sein Leitfaden sei keineswegs nur an Bürger islamischer Staaten gerichtet, sondern an alle Einbürgerungskandidaten, bei denen ein begründeter Verdacht bestehe. Der Vorwurf sei deshalb falsch, Muslime würden dadurch diskriminiert. Er verlange lediglich „ein klares und nachvollziehbares Bekenntnis“ zur Verfassung, zur Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie zur Toleranz gegenüber Minderheiten. „So viel Verfassungspatriotismus muss sein“, sagte er.

Die Grünen verlangten dagegen die Rücknahme des Gesprächsleitfadens, den der Abgeordnete Josef Winkler als grundgesetzwidrige „Gesinnungsprüfung“ bezeichnete. Die gängige Praxis der Einwanderungsbehörden habe sich bewährt. Der Muslim-Test sei hingegen das falsche Instrument, um Verfassungsfeinde aufzuspüren. Seine Parteikollegin Ekin Deligöz sekundierte ihm, indem sie fragte, warum die Regelanfrage beim Verfassungsschutz vor der Einbürgerung nicht ausreiche – eine Frage, auf die sie von Rech allerdings keine Antwort bekam.

Die SPD nutzte die Debatte, um sich von ihrem Partner in der großen Koalition abzusetzen. Michael Bürsch nannte den Muslim-Test denn auch eine „Steilvorlage“, um das Integrationsverständnis der SPD darzulegen: Seine Partei verstehe Integration als Prozess, an dem beide Seiten beteiligt seien. „Wer Deutscher werden will, muss kein Gutmensch sein“, sagte Bürsch und zitierte genüsslich kritische Stimmen aus der CDU wie die von Maria Böhmer, die den Fragebogen als nicht zielführend kritisiert hatte.

Hartfried Wolf für die FDP gab sich im Ton zwar moderat, blieb in seiner Kritik an dem umstrittenen Fragebogen in der Sache aber unmissverständlich: „indiskutabel“. Sevim Dagdelen von der Linkspartei dagegen brachte das Wort vom Muslim-Test als ihren persönlichen Kandidaten für die Wahl zum „Unwort des Jahres“ ins Spiel.

Währenddessen geht innerhalb der CDU der Streit über den Muslim-Test auch weiter. So kritisierte Bülent Arslan, der Vorsitzende des Deutsch-Türkischen Forums der CDU, den Einbürgerungs-Fragebogen in Baden-Württemberg erneut und forderte dessen baldige Änderung. „Mit einer solchen Aktion machen wir tausend kleine Integrationsprojekte zunichte“, sagte er. Auch seine Parteikollegin Barbara John, die ehemalige Berliner Ausländerbeauftragte, kritisierte den Muslim-Test aus Baden-Württemberg. Sie schlug stattdessen eine Art Einbürgerungsfibel vor, in der formuliert werden könnte, was an der deutschen Gesellschaft besonders sei.

Der hessische Innenminister Volker Bouffier (CDU) hält dagegen weiter an seinem Plan fest, den Einbürgerungstest für Ausländer auch in seinem Bundesland zu übernehmen. „Menschen, die hier leben, müssen die Grundlagen, auf denen unsere Verfassung und unsere Gesellschaft gründen, kennen und bejahen“, sagte er dem ZDF. Er forderte zudem Integrationskurse für Einbürgerungswillige.