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Archiv-Artikel

Löhne wie in China?

VON BARBARA DRIBBUSCH

Die IG Metall möchte zum Vorreiter werden für eine positive Lohnentwicklung in Deutschland. Die Gewerkschaft geht mit der Forderung nach 5 Prozent mehr Geld in die anstehende Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie. Das entschied der Vorstand der Gewerkschaft gestern in Frankfurt am Main. Alle sieben Tarifbezirke hatten sich zuvor für die Forderung ausgesprochen. Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall hat den maximalen Spielraum für Lohnerhöhungen dagegen bislang auf 1,2 Prozent beziffert.

Neben der Lohnerhöhung fordert die IG Metall einen Anspruch der Beschäftigten auf Weiterbildung, eine Verpflichtung der Unternehmen zu mehr Innovationen sowie einen neuen Tarifvertrag über vermögenswirksame Leistungen.

„Unsere Forderungen sind bezahlbar“, sagte IG-Metall-Chef Jürgen Peters gestern und ergänzte: „Gemessen am Umsatz haben die Arbeitgeber noch nie so wenig für Löhne und Gehälter ausgegeben wie heute.“ Nach der Vorstellung der Gewerkschaft soll der Tarifvertrag für zwölf Monate gelten.

Die IG Metall kann sich auf die steigenden Gewinne der Metallunternehmen berufen. Allein von 2003 bis 2006 werden sich die Gewinne der 40 größten börsennotierten Metallunternehmen mehr als verdoppeln, rechnet die Gewerkschaft vor. Für dieses Jahr erwartet die IG Metall eine Umsatzsteigerung in der Branche von gut 13 Prozent gegenüber dem Geschäftsjahr 2003. Größter Motor für diese Zuwächse ist der Export.

Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall errechnet bescheidenere Zahlen und kommt für 2005 und 2004 auf eine durchschnittliche Nettoumsatzrendite von jeweils 2,7 Prozent. Die Rendite ist der Saldo aus Gewinnen nach Steuern und Verlusten in Prozent des Umsatzes. Gesamtmetall weist dabei auch auf die von Betrieb zu Betrieb unterschiedliche Ertragslage hin. Diese Unterschiede hätten sich in den vergangenen Jahren vergrößert. Besonders die vornehmlich im Inland tätigen kleineren und mittleren Firmen müssen sich im Schnitt mit niedrigeren Renditen zufrieden geben. Gesamtmetall möchte mehr betriebliche Gestaltungsoptionen der Unternehmen durchsetzen.

Eine „reine Zahlendiskussion“ halte er für „abwegig“, hatte Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegießer bereits im Vorfeld der Tarifverhandlungen erklärt. Ziel müsse es sein, „Arbeitsplätze in Deutschland zu halten“.

Er habe den Eindruck, Globalisierung heiße für die Unternehmer, „dass die Managergehälter sich an den USA orientieren sollen und die Löhne an China“, frozzelte dazu gestern Chefmetaller Peters. Erzielte die IG Metall einen Abschluss von mehr als 2 Prozent, gelänge es ihr damit zumindest, die erwartete Preissteigerungsrate auszugleichen. In vielen Branchen ist das bereits 2006 nicht mehr der Fall.

So bekommen die Beschäftigten im Bau, in der Druckindustrie und im Einzelhandel nach den neuesten Tarifabschlüssen in diesem Jahr nur rund ein Prozent mehr Lohn und verlieren damit im Zuge der Preissteigerungen an Kaufkraft, erklärte Reinhard Bispinck, Leiter des WSI-Tarifarchivs bei der gewerkschaftseigenen Hans-Böckler-Stiftung, im Gespräch mit der taz.

In der Vergangenheit erzielte immer einer der sieben Tarifbezirke einen Pilotabschluss für die Metall- und Elektroindustrie, es ist aber nicht zwingend, dass ein Abschluss für alle Bezirke übernommen wird. Die regional geführten Tarifverhandlungen beginnen im Februar. Den Anfang machen Rheinland-Pfalz, Hessen und das Saarland am 8. Februar.

Vor zwei Jahren hatten die Tarifparteien Einkommensverbesserungen um 2,2 Prozent ab März 2004 und um weitere 2,7 Prozent ab März 2005 vereinbart. Einige betriebliche Vereinbarungen bescherten den Beschäftigten aber Einbußen und längere Arbeitszeiten.