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Archiv-Artikel

Den Ernst geschmeidig überplaudert

Der Schriftsteller Salman Rushdie stellte seinen neuen Roman „Shalimar der Narr“ im Literarischen Colloquium vor. Vor rauen Publikumsmengen gab es viel Raum für Geschichten aus dem Nähkästchen und Lobhudelei von Kritikerseite

Eine Lesung von Salman Rushdie ist noch immer ein besonderes Ereignis. Zwar muss das Publikum, seit das Todesurteil des verstorbenen Ajatollah Khomeini durch den Iran praktisch aufgehoben wurde, nicht mehr durch Metalldetektoren geschleust und von Wachpersonal durchsucht werden. Aber immer noch zieht Rushdie, wie am Freitagabend im Literarischen Colloquium am Wannsee, Scharen von Menschen an, die sicher nicht alle allein der Literatur wegen gekommen sind.

Schon eine Stunde vor Beginn der Veranstaltung ist der Saal bis auf den letzten Platz gefüllt, viele Zuhörer müssen auf angrenzende Räume ausweichen. Die Atmosphäre ähnelt schnell der eines intimen Rockkonzerts, und als Star Rushdie endlich Einzug hält, stürzen sich die Fotografen auf ihn. Er reckt ihnen sein neues Buch in die Kameras.

Seit ihm die Fatwa zu ungewolltem Ruhm verhalf, ist Salman Rushdie ein Prominenter, dessen Leben auch in den Klatschspalten der Yellow Press verfolgt wird. So klingt das Gespräch, von Denis Scheck im Wechsel zwischen Englisch und Deutsch geschmeidig moderiert, zunächst nach „Aspekte aus dem Leben eines berühmten Autors“: Nein, auf eine autobiografische Färbung seiner Figuren habe er in seinem neuen Roman bewusst verzichtet, es stünde schon genug über ihn in den Zeitungen, bekennt Rushdie etwas eitel. Und den Wirbel, für den sein Weggang nach New York in Großbritannien gesorgt hatte, den könne er sich gar nicht erklären: „Schriftsteller zieht um – was ist denn daran so spannend?“

Der Frage, ob sein Umzug eine politische Dimension gehabt habe, weicht Rushdie elegant aus. Er hat zwar die Lacher auf seiner Seite, als er behauptet, er sei in die USA gezogen, weil er so ein großer Fan von George W. Bush sei – vertiefen will er das Thema aber nicht weiter. Dabei hatte tatsächlich für Irritationen gesorgt, dass er sich kurz nach seinem Umzug auf dem Cover eines Nachrichtenmagazins in eine US-Flagge gehüllt gezeigt hatte.

Stattdessen behauptet Rushdie, er habe schon immer davon geträumt, nach New York zu ziehen, und erzählt, wie er das erste Mal in die Stadt gereist sei – damals noch als Hippie mit langen Haaren. In den frühen Siebzigern sei das gewesen, als das World Trade Center gerade fertig gestellt worden sei. Seinen ersten New Yorker Abend habe er also dort verbracht, gewandet in Anzug und Krawatte, um in den Club der obersten Etage eingelassen zu werden.

Es sind solche biografischen Anekdoten, für die die meisten Zuhörer ins LCB gepilgert sind, und dankbar werden sie aufgenommen. Doch im Zentrum der Plauderstunde steht natürlich Rushdies neuer Roman „Shalimar der Narr“: Das Buch ist Liebesgeschichte und Kriminalroman zugleich, streift die deutsche Geschichte und den islamischen Terrorismus und nimmt den Leser mit auf eine Reise vom ländlichen Kaschmir bis an die Westküste der USA. Die beiden Kritiker Andreas Isenschmid und Shirin Shojitrawalla deuten das Buch ausgiebig und loben es über den grünen Klee: Dieser Roman gleiche einer Grande Complication, jenem komplizierten Schweizer Uhrwerk, das nur ein wahrer Meister bauen könne, begeistert sich Isenschmid, während Sojitrawalla von „reizüberflutetem Erzählen“ schwärmt.

Zum Schluss kommt das Gespräch dann doch noch auf die Todes-Fatwa und die Frage, wie ihn diese Erfahrung verändert habe. Und da wird Rushdie tatsächlich ernst. Er bekennt, diese Zeit habe ihn gelehrt, wie wichtig es sei, für etwas einzustehen: für die Gedankenfreiheit oder den Mut gewöhnlicher Leute, anderen zur Seite zu stehen. Als Satiriker, der meist gegen etwas Position bezöge, sei dies für ihn etwas Neues gewesen. DANIEL BAX

Lesung und Gespräch sind am 28. 1. um 20.05 Uhr im Deutschlandfunk nachzuhören