PETER UNFRIED über CHARTS
: Bitte großzügig umbomben

Die BND-Affäre: Warum ich nicht von Fischer enttäuscht bin, sondern von den Amerikanern

Ring, ring. „Good morning, this ist the Pentagon speaking. How can I help you?“ – „Äh, ja, hallo. Bee-eN-Dee hier.“ – „Bee the fuck who?“ – „Deutscher Geheimdienst. Wegen der Bombardierung von Bagdad.“ – „Oh. Yes?“ – „Wir haben zwei Jungs vor Ort. Die wissen, wo Krankenhaus steht.“ – „Oh, really? Brillant. Endlick es can ricktick losgehen!“

Ein bisschen enttäuscht bin ich schon. Zunächst mal ausnahmsweise nicht von Fischer und Schröder, sondern von den Amerikanern. Ich habe zwar wenig Ahnung von deren Kerngeschäft, hätte aber erwartet, dass sie es professionell betreiben und selbst immer ein paar hundert oder tausend Jungs vor Ort haben. Oder zumindest so viele, dass es keine zwei BND-Hanseln braucht, um im März 2003 beim Angriff auf den Irak jene „Non-Targets“ zu identifizieren, um die man unpraktischerweise herumbomben muss.

Nun kann man sagen: Darum geht es doch nicht, du Dummi. Es geht ums Prinzip. Darum, dass zwei BND-Agenten im Irak wurschtelten bzw. wahnsinnig wichtige logistische Unterstützung der U.S. Army gewährleisteten – und Außenminister Fischer darüber begeistert war. Haben Rot-Grün bzw. wir mitgemacht, wo wir bisher immer hörten und dachten, wir hätten uns heroisch verweigert? Klar, darum geht es und um einiges andere im Zusammenhang mit Geheimdiensten. Aber es geht auch darum, dass es vor allem links gern ums Prinzip geht. Währenddessen wird in der Praxis das nächste Mal richtig mitgemacht, weil erstens Merkel und zweitens, wenn das im Irak schon so war, kann man auch gleich und so weiter. Das hat ja dann auch etwas, denn somit ist links wieder alles klar, denn wir sind immer dagegen gewesen, zum Wohl.

Klar schwingt gegenüber den entscheidenden Figuren Fischer und Schröder aus Gründen der Lebenserfahrung bei vielen immer Misstrauen mit. Zu fragen ist allerdings, warum dieses Misstrauen größer sein sollte als das gegenüber den Amerikanern. Ich will hier keine Verschwörungstheorien weiterkolportieren, bloß Prantl, aber die USA haben eher kein Interesse daran, dass Fischers Satz „I’m not convinced“ einen Ehrenplatz in der Geschichte bekommt. Und er in Princeton oder wo eines Tages auch Vorlesungen hält über Rot-Grün als Friedensbündnis und wichtigste Kraft eines europäischen Emanzipierungsprozesses von der Weltbesatzungsmacht.

Insofern ist auch Fischers politische Analyse nachzuvollziehen, es gehe in dieser Sache auch – oder auch in dieser Sache? – um die „De-Legitimierung von Rot-Grün.“ (Ja, ja, Rot-Grün steht für Fischer). Bis die Jahre, die ihr kennt, am Ende in den Schulbüchern als Ego-Trip einer Two-Men-Macho-Show stehen, die nichts schaffte und ein bisschen Krieg auch okay fand.

Das Problem der Grünen, das nebenbei, ist nicht die Frage, ob ein Untersuchungsausschuss den guten, alten Markenkern (moralische Integrität als Legitimierung zur Weltverbesserung) beschädigt oder bestätigt. Die Regierungsjahre und vor allem Fischer haben diesen nicht praxistauglichen Markenkern weiterentwickelt. So, dass man damit arbeiten konnte. Das Problem nun ist dadurch zu lösen, dass man sich streitet, wer selbstgefälliger ist: der Markenkern oder Fischer. Man muss beweisen, dass Grün ohne Fischer nicht ist wie Tennis ohne Boris. Sicher ist das Fischer-Handling derzeit nicht einfach. Aber: Je keifender die Erben die „Nach-Fischer-Ära“ beschwören, desto weniger bleibt vom Erbe. Und desto mehr kommen einem Zweifel. Im Angesicht von Politprovokationen wie Renate Künasts „Herr Genhofer“ (Nur gut, dass der Spiegel erklärend hinzufügt: „Ein Wortwitz!“) bekommt man langsam eine Ahnung, was eine Playback-Generation sein soll.

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Die Drei-Nüsse-für-Aschenbrödel-Wunsch-Charts: 1. Fischer soll ein letztes Mal live rock-’n’-rollen, bis kein Augen trocken bleibt – und keine Frage offen. 2. Der BND soll künftig neu koordiniert und moralisch kontrolliert werden – aus dem Büro Ströbele. 3. Künast soll von der Basis beauftragt werden, in Princeton anzurufen, ob sich da nicht endlich was tut.

Fragen zum Markenkern? kolumne@taz.de Morgen: Arno Frank über GESCHÖPFE