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Archiv-Artikel

Kampf um die Nachfolge

Von ER

SARAJEVO taz ■ Als die Bibliothekarin Ladrija L. die Nachricht vom Tod ihres Präsidenten erreichte, war sie schockiert: „Die Parteien werden sich zerfleischen, viele werden um die Nachfolge kämpfen.“ Sie weiß: Jede politische Unsicherheit kann im Kosovo schwer wiegende Konflikte mit sich bringen. Ladrija L. kannte den Literaturwissenschaftler und Schriftsteller Ibrahim Rugova recht gut von der Universitätsbibliothek in Prishtina her, wo sie bis 1991 arbeitete. Auch später hat die 55-Jährige Kontakt zu ihm gehalten, als sie im Untergrund einen Notbibliothek aufgebaut hat. Nach der Flucht 1999, der Nato-Intervention und Rückkehr war sie, so gesteht sie, doch manchmal auch enttäuscht von Rugova: „Doch jetzt wird er mir fehlen.“

Rugova war eine wichtige Konstante im politischen Leben des Landes. Ladrija befürchtet, die ursprünglich für Mittwoch, dem Tage seines Begräbnisses, angesetzten Verhandlungen über den Status des Landes könnten ohne ihn fehlschlagen.

„Wir werden am bisherigen Kurs festhalten und die Unabhängigkeit des Landes fordern, das ist keine Frage“, beruhigt dagegen Enver Hoxhaj, ein wichtige Berater der Verhandlungsdelegation und enger Mitarbeiter von Hashim Thaci, dem Exchef der UÇK-Guerilla. Noch wisse niemand, wer jetzt die Verhandlungen führen soll, gibt der Professor für Sozialwissenschaften zu. „Jetzt ist erst einmal die Beerdigung. Nächste Woche wird man aber eine Lösung finden müssen.“ Die internationale Gemeinschaft hat die Verhandlungen auf Februar verschoben.

Bis dahin aber werden die Fetzen fliegen. Bujar Bukoshi, ehemals Premier des Schattenstaates und enger Weggefährte Rugovas, rechnet mit Machtkämpfen in der „Demokratischen Liga Kosova“, der größten Partei des Landes, der Rugova vorstand.

Es war nicht besonderes Verhandlungsgeschick, die Rugova auszeichnete, sondern seine international geschätzte Autorität als Symbol der Kosovoalbaner. UN-Generalsekretär Kofi Annan, US-Außenministerin Condoleezza Rice, Angela Merkel, der derzeitige EU-Ratspräsident und Österreichs Bundeskanzler Wolfgang Schüssel fanden wie viele andere Worte nicht nur Worte des Bedauerns über den Tod Ibrahim Rugovas, sondern drückten auch Sorge aus.

Der Chef der UN-Verwaltung, Soeren Jessen-Petersen rief deshalb die Politiker und das Volk zu Einheit und Besonnenheit in diesem „entscheidenden“ Moment für die Zukunft des Kosovo auf. Auch Kofi Annan appellierte an alle politischen Kräfte, einig zu bleiben und voll mit dem UN- Sonderbeauftragten Martti Ahtisaari bei den Gesprächen in Wien zusammenzuarbeiten. Parlamentspräsident Nexhat Daci hat vorübergehend das Amt des Präsidenten übernommen. ER