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Archiv-Artikel

Optimistisch zur nächsten Runde

KOLUMBIEN Erster Durchbruch bei den Friedensverhandlungen zwischen Regierung und Farc-Guerilla: Die Delegationen einigen sich auf eine umfassende Landreform

„Radikale Umwandlungen der ländlichen und landwirtschaftlichen Realität“

VON JÜRGEN VOGT

BUENOS AIRES taz | Sechs Monate nach Beginn der Verhandlungen zwischen der kolumbianischen Regierung und der Farc-Guerilla über ein Friedensabkommen scheint der Durchbruch gelungen zu sein. Am Sonntag verkündeten beide Seiten, dass man sich in der Frage der Landreform geeinigt habe. „Worauf wir uns in dieser Übereinkunft geeinigt haben, wird der Beginn radikaler Umwandlungen der ländlichen und landwirtschaftlichen Realität sein, mit Gerechtigkeit und Demokratie“, heißt es in einem gemeinsamen Kommuniqué der Verhandlungsdelegationen. „Feiern wir, ja wirklich, diesen grundlegenden Schritt zu einem umfassenden Abkommen, um dem Konflikt nach einem halben Jahrhundert ein Ende zu machen“, twitterte eine überschwänglicher Staatspräsident Juan Manuel Santos.

Die Regelung von Land und Landbesitz gilt als Schlüssel zu einem Friedensschluss bei den seit November in der kubanischen Hauptstadt Havanna laufenden Verhandlungen. Die Hälfte des kolumbianischen Bodens befindet sich in den Händen von einem Prozent der Bevölkerung.

Im Kommuniqué sprechen sich beide Seiten für eine „integrale Landreform“ aus. Was darunter zu verstehen ist, wird in allgemein gehaltenen Absätzen erläutert. Etwa über den Zugang und die Nutzung des Bodens, über Entwicklungs- und Infrastrukturprogramme und über ländliche Entwicklung bei Gesundheit und Bildung.

Was folgt, sind ebenfalls allgemein gehaltene Absätze über die Umsetzung des Vereinbarten. So etwa die Einrichtung einer Agrarjustiz zur Lösung von Konflikten „zum Schutz der Rechte am Eigentum unter Vorrang des Gemeinwohls“. Und dass Opfer von Landraub oder gewaltsamer Vertreibung entschädigt werden sollen.

Humberto de la Calle, Verhandlungsführer der Regierung, sprach von einem historischen Wandel für die kolumbianischen Landwirtschaft. Der Eckpfeiler der Übereinkunft sei die erneute Bekräftigung der Würde der kleinbäuerlichen Familie, so de la Calle. Er legte jedoch Wert darauf, dass rechtmäßige Eigentümer von Grundbesitz nichts zu befürchten hätten. Alles werde unter der völligen Anerkennung des Privateigentums und des Rechtsstaats gemacht.

Konkrete Angaben darüber, wie die Entschädigungen ausfallen sollen, wie viel Land von wem und an wen umverteilt werden soll, was und wie viel investiert und in welchen Zeiträumen dies alles bewerkstelligt werden soll, darüber gibt das Kommuniqué keine Auskunft. Nur, dass mit der nächsten Verhandlungsrunde ein erster Bericht vorgestellt werden soll. Die nächste Runde beginnt am 11. Juni, dann steht der zweite Verhandlungspunkt auf der Agenda: die zukünftige Beteiligung der Farc am politischen Leben und die Frage der Straflosigkeit für ihre Kämpfer. Erst wenn alle Punkte durchverhandelt und ein Gesamtabkommen unterzeichnet ist, soll irgendeine der Teilvereinbarungen in Kraft treten, so die Prämisse der Verhandlungen: „Bevor nicht alles vereinbart ist, ist gar nichts vereinbart.“

Von einem historischen Fortschritt sprach dennoch auch die frühere Senatorin Piedad Córdoba, die mehrfach bei der Vermittlung bei Geiselfreilassungen zwischen Regierung und Guerilla beteiligt war. Freude und Optimismus habe die Nachricht in ihr ausgelöst. „Endlich werden die verweigerten Rechte der ländlichen Bewohner Kolumbiens anerkannt“, so Córdoba.

Der Konflikt zwischen dem kolumbianischen Staat und der Farc-Guerilla begann 1964. Schätzungen zufolge hat der Konflikt mehr als 200.000 Menschenleben gefordert.