„An FFH-Gebieten ist nichts Schlimmes“

Streit um EU-Naturschutz geht weiter: Niedersachsen will zwar die Mündungen von Weser und Ems, nicht aber das Emssperrwerk bei der EU als Naturschutzgebiete anmelden. Die Grünen zweifeln, ob Brüssel das durchgehen lässt

Steinbeißer, Bitterling, Großes Mausohr und Bechsteinfledermaus – nachdem das niedersächsische Kabinett nun beschlossen hat, etwa 14.000 Hektar Fläche als EU-Naturschutzgebiete anzumelden, sind die Lebensräume der Tiere künftig besser geschützt. Davon geht zumindest Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) aus, der gestern im seit über zehn Jahren währenden Streit mit der EU einen Schlusspunkt setzen wollte. Auch die lange umstrittenen Mündungen von Weser und Ems sind in der Nachmeldung nach Brüssel enthalten. Nach wie vor sei er „fachlich davon überzeugt, dass wir mit der Meldung der Elbe der EU-Richtlinie Genugtuung geleistet haben“, sagte Sander. Aber die angedrohten Strafzahlungen der EU in Höhe von zuletzt 900.000 Euro täglich haben auch den renitenten Niedersachsen zum Einlenken bewegt, auch „wenn unser Bemühen nicht euphorisch war“.

Damit im Hickhack um die Meldungen gemäß der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH) Spannung bleibt, wird Sander natürlich doch nicht alles melden. Zunächst müsse man „den Menschen klar machen, dass an FFH nichts Schlimmes ist“, sagte Sander. Man könne in einem FFH-Gebiet „alles bauen“, müsse aber teure Bewirtschaftungspläne erstellen und Ausgleichsflächen ausweisen, sagte der Minister. Nur im Bereich des Emssperrwerks „könnte neuer Ärger drohen“. Dort will das Land nämlich durchsetzen, dass Baggerungen für Schiffsüberführungen der Meyer-Werft weiter ohne Umweltverträglichkeitsprüfung möglich sind. Das Ausbaggern der Ems, das zum Überführen der Schiffe regelmäßig nötig ist, müsse weiter genehmigungsfrei bleiben.

Die Grünen bezweifelten, dass dieser „Trick“ bei der EU-Kommission durchgehen werde. Nun räche sich „ein altes Versäumnis bei der Planung“ des Millionen-Bauwerks, sagte die Umweltexpertin Dorothea Steiner. Damals wurde nämlich auf die Durchführung einer FFH-Verträglichkeitsprüfung verzichtet.

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich die Kommission die Nachmeldungen bieten lassen wird“, sagt auch Umweltplaner Matthias Schreiber, der gerade ein FFH-Gutachten erstellt hat. Die Kommission hatte angemahnt, der FFH-Nachzügler Niedersachsen solle seine Defizite „vollständig beheben“. Immer noch fehlten Meldungen in einer Größenordnung von 70.000 bis 80.000 Hektar. Bei der Ausweisung habe man zudem die Grenzen oft unsauber gezogen, bemängelt Schreiber. Selbst bestehende Naturschutzgebiete seien nicht berücksichtigt worden. Sander dürfe nicht über ein „Übermaß an Naturschutz“ klagen, findet der FFH-Experte. Während europaweit im Durchschnitt 11,9 Prozent der Landfläche geschützt sind, betrage dieser Anteil im Bundesdurchschnitt 9,3, in Niedersachsen aber lediglich 6,6 Prozent.

Kai Schöneberg