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Archiv-Artikel

Grundlos durchsucht

Bochumer Gericht erklärt Razzia bei Internetplattform Labournet für rechtswidrig: „Grundrechte verletzt“

Das Landgericht Bochum hat eine Razzia bei der Chefredakteurin von www.labournet.de, Mag Wompel, für rechtswidrig erklärt. Am 5. Juli 2005 führte die Polizei zeitgleich bei Wompel und zwei anderen Mitarbeitern der Internetplattform Hausdurchsuchungen wegen des Verdachts auf Urkundenfälschung durch und beschlagnahmten Computer und schriftliches Material (taz berichtete). Anlass der Polizeiaktion waren gefälschte Schreiben der Bochumer Arbeitsagentur, die offenbar in Zusammenhang mit den Protesten gegen das Gesetzpaket Hartz IV gestanden haben und mit „Paul Lafarque – Labournet“ unterzeichnet waren.

Nun ist ein Paul Lafarque als Theoretiker des Rechts auf Faulheit bekannt geworden und war nebenher auch noch Schwiegersohn von Karl Marx. Außerdem ist er schon lange tot. So kam das Labournet ins Visier der Ermittlungen. Schließlich wirbt die Internetplattform nicht nur mit dem Spruch „mit und ohne Job, basisnah, gesellschaftskritisch“. Dort wurden auch Proteste gegen die Hartz-IV-Reform wie die „Aktion Agenturschluss“ koordiniert. Unter diesem Motto wurden am 3. Januar 2005 in ganz Deutschland Arbeitsagenturen besetzt oder umzingelt.

Es waren schriftliche Unterlagen über solche Aktivitäten, die bei der Razzia beschlagnahmt worden, monierten die MitarbeiterInnen von Labournet. GewerkschaftlerInnen und Menschenrechtsorganisationen solidarisierten sich mit der Internetplattform. Es könne nicht sein, dass eine Unterschrift unter einem beliebigen Flugblatt zur Razzia führte, lautete der allgemeine Tenor.

Das Bochumer Amtsgericht gab den KritikerInnen jetzt Recht. Der Beschlagnahmebeschluss verletzte Wompel in ihren Grundrechten, heißt es dort. Ein konkreter Tatverdacht gegen das Labournet, das übrigens unter dem Schutz der Pressefreiheit stehe, habe nicht vorgelegen, schrieben die Bochumer Richter. Wompels Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck rechnet es der Bochumer Justiz hoch an, dass sie „dem pressefeindlichen Vorgehen der Bochumer Staatsanwaltschaft eine deutliche Grenze gesetzt hat, die in Zukunft hoffentlich von der Staatsanwaltschaft akzeptiert wird“.

Für Wompel ist die Angelegenheit mit dem positiven Beschluss noch nicht erledigt. Zunächst müsse geprüft werden, was das von ihr erstrittene Urteil für die beiden anderen von den Polizeimaßnahmen betroffenen Labournet-Mitarbeiter, den Vorstandsvorsitzenden des Trägervereins Wolfgang Schaumberg sowie den Redakteur Ralf Pandorf, bedeute. Außerdem prüfe sie Schadenersatzansprüche und eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die für die Razzia verantwortliche Bochumer Staatsanwaltschaft. Peter Nowak