: Gegen Staat, Steuern und Obama
KONSERVATIVE Erfolgreich wie keine andere politische Kraft in den USA kämpft die rechte Tea-Party-Bewegung gegen die Reformpolitik des Präsidenten
VON DOROTHEA HAHN
Sie sind zerstritten und gespalten. Sie haben keine klare Führung. Dennoch ist die „Tea-Party-Bewegung“ die einzige politische Kraft im Land, die Präsident Barack Obama und den Demokraten gefährlich werden könnte. Es ist eine Bewegung von unten. Und sie kommt von rechts.
Weniger als zehn Monate nach Gründung hat die Bewegung einige Erfolge: Sie ist in sämtlichen Bundesstaaten der USA präsent. Sie hat Großdemonstrationen in Washington organisiert. Sie hat zum absehbaren Scheitern der Gesundheitsreform beigetragen. Und sie hat bei Urnengängen in drei vermeintlich sicheren Hochburgen der Demokraten oppositionellen Republikanern zum Wahlsieg verholfen.
Bei den Kongresswahlen im kommenden Herbst will sie erneut zuschlagen. Sie hat einen Katalog von zehn Punkten aufgestellt, an dem sie die Kandidaten messen will. Wer ihre Unterstützung haben will, muss radikale Positionen vertreten: einen geschrumpften Staat, eine Senkung der Steuern, den Abbau der Schuldenlast und das Recht auf Waffentragen.
„Die demokratische Partei steht unter Schock“, triumphiert Jeffrey Allan McQueen, „bloß Obama tut so, als würde er nichts merken.“ Der 50-jährige McQueen aus dem nördlichen Bundesstaat Michigan ist ein „Tea-Partier“ der ersten Stunde. Der arbeitslose Marketingexperte war am 15. April bei der Gründungs-Tea-Party in seiner Stadt Lansing dabei. Seither hat er eine Fahne entworfen, die zu einem Erkennungszeichen der Bewegung geworden ist. Neben 13 Sternen (für die 13 Kolonien, die sich einst gegen Großbritannien erhoben haben), hat sie eine römische Ziffer Zwei im Zentrum. Die steht für die „zweite amerikanische Revolution“, mit der McQueen jederzeit rechnet.
Die zweite Revolution
Die erste Revolution führte im Jahr 1776 zur Unabhängigkeit. Damals war die „Boston Tea Party“ der Auslöser. Aus Wut über die hohen Steuern, mit denen die britische Krone ihre Kolonien belastete, warfen weiße Siedler aus Indien angelieferten Tee ins Meer. Von der „zweiten Revolution“ erwartet McQueen, dass sie zu den „amerikanischen Werten der Gründerväter“ zurückführt.
Millionen von US-Amerikanern zeigen sich empfänglich für die politischen Slogans der Tea-Partier. Darunter Bauern, Arbeiter und Arbeitslose, aber auch leitende Angestellte wie McQueen, der nach eigener Auskunft vor seiner Entlassung von einem Autozulieferer in Detroit mehr als 200.000 Dollar im Jahr verdient hat. Die Tea-Partier glauben an die Selbstheilungskräfte der Wirtschaft. Jegliche wohlfahrtsstaatlichen Modelle sind ihnen suspekt.
Die meisten Anhänger der Bewegung sind weiß. Viele verteidigen das „Recht auf Leben“ und stemmen sich gegen die Gleichstellung von Homosexuellen. Alle fühlen sich von „Washington“ – der als „entfernt“ und „selbstherrlich“ empfundenen Regierung – im Stich gelassen. Ihr letzter politischer Held war Ronald Reagan.
Der Hauptgegner der Tea-Partier, dem sie bei Demonstrationen auch schon einmal einen Hitlerbart auf ihren Transparenten ins Gesicht malen, ist Obama. Rassismus? McQueen weist den Vorwurf von sich. Für ihn ist Obama „nicht schwarz, sondern rot“. Er verdächtigt ihn, die USA „zu einem sozialistischen Land“ machen zu wollen.
Dennoch sind die Tea-Partier keine einfachen Partner für die Republikaner. Die Tea-Party-Bewegung hat aufständischen Charakter. Sie hat keine eingeschriebenen Mitglieder mit Ausweisen und berechenbarem Verhalten. Sondern eine Vielzahl von Fraktionen und Meinungen.
Einige Köpfe kommen direkt aus der Republikanischen Partei. Darunter der weit rechts stehende verhinderte Präsidentschaftskandidat Tom Tancredo. Andere wie McQueen waren nie zuvor politisch aktiv. Auch wenn er – wie beinahe 70 Prozent der Tea-Partier – schon vorher konservativ gewählt hat.
An manchen Orten in den USA gibt es bereits offene Konkurrenz zwischen Bewegung und Republikanern. Die einzige Republikanerin, die bislang die Gnade aller Tea-Partier findet, ist die ehemalige Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin. In Nashville erhält sie im Februar stehenden Beifall von 600 Tea-Partiern, die sich zur nationalen Konvention versammelt haben. Vielfach skandieren sie, Palin möge beim nächsten Mal für die Präsidentschaft kandidieren.
Dennoch: „Ohne Führung sind wir stärker“, meint McQueen. Vorbilder für den „Kampf gegen die Tyrannei“ sieht er bei den Arbeitern von Solidarność in Polen. Bei den Studenten vom Tiananmen-Platz in Peking. Bei den „Orangen“ der Ukraine. Und bei den „Grünen“ im Iran.