: Sieben Tage Wagemut
ABENTEUER Hier spielt die Zukunft: Das Bremer „Outnow!“-Festival präsentiert junge Performance-Ensembles aus ganz Europa, die gerade im Begriff sind, sich einen Namen zu machen
Festival ist, wo das Neue auftritt, das Aufregende. Das ist wenigstens die Idee, auch wenn meist saturierte Branchengrößen kommen und irgendeine abgeklärte Bühnenshow zu einem vorgegebenen Thema machen, etwa dem Verhältnis von Mensch und Pflanze. Nicht so beim Bremer „Outnow!“, das am Sonntag startet: Alle zwei Jahre organisiert dieses Festival die Schwankhalle, 2013 mischt erstmals das Stadttheater mit.
Das Konzept von „Outnow!“ besteht genau darin: das Neue zu entdecken, die Zukunft spielen zu lassen. Also Performing-Arts-Ensembles, die auf dem Sprung sind raus aus den umhegten Hochschulstudios ins raue Bühnenleben, um dort die Routinen umzuwälzen, die Sehgewohnheiten zu revolutionieren, das Publikum zu schocken.
Es treten also auf – und es sind, das ist besonders klasse, die ganzen sieben Festivaltage in der Stadt: Theater-, Musik-, Tanz- und Sonstwas-Gruppen aus ganz Europa, die im Begriff sind, sich einen Namen zu machen – oder es fest vorhaben. Von denen also noch nicht klar ist: Was ist von ihnen zu halten? Was produzieren sie? Wird’s der letzte Scheiß?
Schiffbruch gehört zu den Lebensrisiken von Abenteurern, noch ist der künstlerische Wert der Produktionen in der Schwebe, und selbst das superinformierte Feuilleton hat dem Publikum bislang keine Meinung vorgeschrieben. Wobei es Empfehlungen gibt, etwa durch die Jury des Körber-Preises. Die hat dieses Jahr die Produktion „Der souveräne Mensch“ von Arnita Jaunsubrena, Lea Schneidermann und Kim Willems ausgezeichnet. Das deutsch-lettische Trio fragt mit seinem Bühnen-Essay nach den physischen Signalen und Gesten, die Überlegenheit und Herrschaft herstellen – Souveränität halt.
Ein Pflichttermin also, am Montag um 21 Uhr im Kleinen Haus des Theaters. Aber: Das Risiko ist groß, dadurch zu spät zur um 22 Uhr auf der anderen Weserseite beginnenden Performance der Schauspielerin Naomie Velissariou und des niederländischen Urland-Kollektivs zu kommen. Und das wäre doof. Denn mit „Kwartet – een Powerballad“ übertragen die Niederländer in krassest möglicher Farbgebung – pink und schwarz – Heiner Müllers „Quartett“ in eine Death-Metal-Ästhetik.
Das Schwierige dabei: Heiner Müllers Dramatisierung des Romans „Die gefährlichen Liebschaften“ erzählt in eisiger Präzision eine militärisch durchorganisierte, diabolische Verführungsgeschichte im Adelsmilieu des 18. Jahrhunderts – ganz wie das Buch. Death Metal dagegen ist ein Musikstil mit sägenden, extrem verzerrten Klängen, ist krass laut und total ekstatisch. Den euphorischen Kritiken der Uraufführung an der Rotterdamse Schouwburg zufolge aber ist die unvorstellbare Übertragung geglückt.
Nichts wie hin ist die richtige Entscheidung, fast 30 Mal binnen sieben Tagen – und am Ende brauchst du dringend Urlaub: So geht Festival. BES
■ So, 2. 6. bis Sa, 8. 6., Schwankhalle und Theater Bremen; Festivalpass: 38/20 Euro, Einzeltickets 8/5 Euro. www.schwankhalle.de/outnow