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Archiv-Artikel

berliner szenen Im Reich des Bullshit

Powerpoint Karaoke

Es ist manchmal beängstigend, wie Menschen sich verändern, sobald sie auf einer Bühne stehen. Mein Freund D. zum Beispiel ist ein schüchterner Zeitgenosse, der sich schlagartig in eine Rampensau verwandelt, sobald es etwas zu präsentieren gibt: Fachvorträge, launige Reden … you name it. Ich dagegen bin mehr der Karaoke-Typ. Vorträge sind mir ein Graus, aber ich kann aus dem Stegreif vor fremden Leuten „Like a Virgin“ krähen.

Voller Vorfreude finden wir uns zu „Powerpoint Karaoke“ in der nbi ein. Der Abend verspricht großes Mitmach-Potenzial. Aus 18 herrlichen Powerpoint-Werken über Fachthemen wie „Ökosystem Pansen“ oder „Chinakontakte der IHK Bochum“ gilt es auszuwählen. Die Conférenciers Holm Friebe und Martin Baaske gehen mit gutem Beispiel voran und geben eine medial gestützte Einführung ins Reden und Präsentieren. Ich stecke meinen Mitmachzettel schnell weg und nötige stattdessen D. zu „Maul- und Klauenseuche“, dem kompakten Verhaltensratgeber auf Bauernniveau – schließlich ist sein Vater Tierarzt.

Doch D. klagt über akute Formschwäche. Nicht so das restliche Publikum: Angeheizt vom KPMG-Firmensong steigt der Performance-Wille im Saal minütlich. Der Erste steigt gleich bei Schwierigkeitsstufe sieben ein und schwadroniert in schönstem Marketing-Sprech über Zielgruppen der Zukunft. Der Mann hat schon oft über „mentale Transaktionen“ gesprochen, das merkt man gleich. Und auch seine Nachfolgerin – ein Bullshit-Vollprofi. Den ersten Platz macht ein junger Mann mit Brille, der nonchalant über „Maulwurf-Pellets“ plaudert. „Dagegen ist Karaoke Kinderkram“, sage ich zu D. und beschließe, bis zum nächsten Mal an meinen Performer-Qualitäten zu arbeiten. NINA APIN