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Archiv-Artikel

Die um Verbote betteln

Handelskammer macht Ernst: Allgemeines Bettelverbot in den Einkaufsmeilen der Innenstadt gefordert. Zunächst Test als halbjähriges Pilotprojekt. Heftige Kritik von Hinz&Kunzt und der rot-grünen Opposition. Der Senat zeigt sich distanziert

Von Sven-Michael Veit

Ein allgemeines Bettelverbot in der Innenstadt fordert die Hamburger Handelskammer. In der „guten Stube aller Hamburger“, die eine „hohe Ausstrahlungskraft auf nationale und internationale Besucher“ habe, müssten auch „die Spielregeln guten Miteinanders“ gelten, begründet die Kammer ihr gestern veröffentlichtes „Positionspapier“.

Das Verbot des Bettelns solle gelten für Mönckeberg- und Spitalerstraße, Rathausmarkt, Jungfernstieg, Neuer Wall, Poststraße und Große Bleichen. Zunächst aber nur für ein halbes Jahr rund um die Fußball-WM: Vom 1. März bis 1. Oktober sollten in einem „örtlich und zeitlich beschränkten Pilotversuch Erfahrungen gesammelt werden“, schlägt die Kammer vor (siehe Kasten).

Im Rathaus wird der Vorstoß ungewöhnlich distanziert zur Kenntnis genommen. Er werde „in die behördlichen Überlegungen einfließen“, sagt Lutz Mohaupt, Sprecher von CDU-Bürgermeister Ole von Beust. Es gebe aber „keinen Grund zur Eile“, weil „keine dramatisch zugespitzte Situation erkennbar“ sei. Selbstverständlich würden die sozialen Träger „in dialogischer Form“ einbezogen, versichert Mohaupt: „Wir wollen die Stadt ja nicht spalten.“

Das hört Birgit Müller gewiss gern. „Ole von Beust muss der Bürgermeister aller Hamburger sein“, fordert die Chefredakteurin des Obdachlosenmagazins Hinz&Kunzt. Das Ansinnen der Kammer lehnt sie rundweg ab: „Das wäre kein faires und soziales Hamburg mehr.“ Zudem fürchtet sie, die halbjährige Befristung sei „nur eine Tarnung“. Beim Bettelverbot gehe es „um eine Grundsatzfrage“, findet auch Landespastorin Annegrethe Stoltenberg: „Davon kann es keine Ausnahmen geben“, auch nicht zur WM: „Wenn die Welt zu Gast bei Freunden ist, sollte Hamburg der Welt mit Toleranz und Respekt begegnen.“

Mit moderaten Worten rügt auch der „Runde Tisch St. Jacobi“ den Kammer-Vorschlag. „Die Sichtweisen“ von sozialen Initiativen und Kaufleuten, die in diesem Schlichtungsgremium der City miteinander debattieren, seien „nicht deckungsgleich“. Um so wichtiger sei es, den Runden Tisch „zur Wahrung des sozialen Friedens auch künftig als Ort des respektvollen Austausches unterschiedlicher Positionen zu nutzen“.

Um sozialen Frieden aber gehe es der Handelskammer gar nicht, kritisiert die rot-grüne Opposition in der Bürgerschaft, sondern nur um die klingenden Kassen der City-Kaufleute. Die Kammer wolle „verdrängen und spalten“, meint SPD-Sozialpolitikerin Petra Brinkmann. Zudem sei auch ein zeitlich und örtlich eingegrenztes Bettelverbot „schlicht rechtswidrig“, assistiert Innenpolitiker Andreas Dressel.

„Statt die Armen zu verdrängen, sollte die Armut bekämpft werden“, fordert die grüne Innenpolitikerin Antje Möller. Das „zynische“ Papier zeige jedoch, dass die Kammer „die Spielregeln des guten Miteinanders“ für sich selbst nicht gelten lasse. Die Handelskammer, so Möller, „hat jeden Anstand verloren“.