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Archiv-Artikel

Ein Prahlhans vor den Richtern

ISLAMISMUS In Frankfurt beginnt der Prozess gegen Emrah E., der 2010 falschen Terror-Alarm in Deutschland ausgelöst haben soll

Die Vorwürfe der Anklage stritt Emrah E. größtenteils ab

VON WOLF SCHMIDT

FRANKFURT taz | Vor dem Frankfurter Oberlandesgericht hat am Montag einer der interessantesten Islamistenprozesse Deutschlands begonnen. Dabei geht es nicht nur darum, ob der Angeklagte Emrah E. aus Wuppertal ein Al-Qaida-Kämpfer war, sondern auch um die Frage, wie es zum Drohnenangriff auf seinen Bruder Bünyamin kam.

Dieser starb als erster deutscher Staatsbürger am 4. Oktober 2010 durch eine Rakete aus einem der unbemannten Flugzeuge der USA. Wenige Wochen später meldete sich Emrah E. aus Pakistan beim BKA und sprach von bevorstehenden Anschlägen in Deutschland. Zwei Attentäter seien schon im Land. Bundesweit herrschte Terror-Alarm.

Die Bundesanwaltschaft wirft dem 25-Jährigen in ihrer am Montag verlesenen Anklage vor, die Behörden bewusst in die Irre geführt zu haben. Anders als damals behauptet seien ihm „weder konkrete Planungen noch die von ihm beschriebenen Personen als beauftragte Attentäter“ bekannt gewesen. Zudem soll Emrah E. gleich in zwei Terrorgruppen Mitglied gewesen sein: zuerst bei al-Qaida in Pakistan, später bei al-Shabab in Somalia.

Der Angeklagte berichtete zum Prozessauftakt ausführlich über seine verkorkste Jugend. Er sei in der Schule nicht klargekommen und habe es als Schmach empfunden, auf eine Sonderschule geschickt zu werden. Später sei er kokainabhängig und kriminell geworden. Nach einer Haftstrafe sei er immer religiöser geworden. Weil er mehrmals von Islamhassern beschimpft worden sei, habe er beschlossen das Land im Frühjahr 2010 zu verlassen – warum er dabei seine Frau und sein Baby zu Hause ließ, konnte er nicht schlüssig erklären.

Die Vorwürfe der Anklage stritt Emrah E. größtenteils ab. Ja, er sei im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet gewesen. Ja, er habe sich dort eine Kalaschnikow gekauft und das Schießen gelernt. Und ja, er sei auch zum Dschihad bereit gewesen. Aber nein, einer Terrorgruppe habe er sich nicht angeschlossen, weder al-Qaida noch einer anderen.

Der Vorsitzende Richter Thomas Sagebiel machte deutlich, dass der Senat aufgrund zahlreicher abgehörter Telefonanrufe von Emrah E. nach Deutschland einen anderen Eindruck habe. Diese Gespräche seien „relativ eindeutig“.

Er sei ein „Prahlhans“ gewesen, entgegnete Emrah E. „Ich war jung, blöd und naiv und habe viel Schwachsinn erzählt.“ Darauf nochmals Richter Sagebiel: „Halten Sie uns nicht für dumm.“

Zur Frage, ob er 2010 bewusst falschen Terroralarm in Deutschland auslöste, wollte Emrah E. am Montag noch nichts sagen. Er schilderte aber den Drohnenangriff auf seinen Bruder Bünyamin. In der Dunkelheit sei die Rakete an jenem 4. Oktober im Haus eingeschlagen. Durch die Explosion sei eine Metalltür verbogen worden. Seinen Bruder habe er von Erde verschüttet aufgefunden.

Zu dem Zeitpunkt, so bestätigte Emrah E., sei ein Kader der pakistanischen Taliban zu Besuch gewesen, Qari Husain. Der habe seinen Bruder Bünyamin zu einem Selbstmordattentat überreden wollen – ihn aber angeblich noch nicht gänzlich überzeugt gehabt.