: Die Hausordnung bleibt in Kraft
KEIN KRACH Auch nach der Gesetzesänderung soll für Mieter die Mittagsruhe gelten. Sprecherin der Umweltverwaltung: Änderung ist „kein Freibrief“
Die 30-jährige kinderlose Neuköllnerin (Name der Redaktion bekannt) kann aufatmen: Auch nach der Änderung im Immissionsschutzgesetz muss sie nicht alles an Kinderlärm hinnehmen: „Bei mir habe ich den Eindruck, dass die Nachbarn ihre Kindern aus der Wohnung in den Hausflur schieben und dort krakeelen lassen, wenn sie ihnen zu sehr auf die Nerven gehen.“ Das muss sich die junge Frau auch künftig nicht bieten lassen. Das folgt aus Aussagen des Berliner Mietervereins und der zuständigen Senatsverwaltung für Umwelt.
„Die Hausordnung geht weiter vor das Immissionsschutzgesetz“, sagte der Chef des Berliner Mietervereins, Reiner Wild, der taz. Sieht der Mietvertrag eine Ruhezeit vor, sei die auch einzuhalten. Weiter hätten alle Mieter zu einem gütlichen Zusammenleben unter einem Dach beizutragen. Schon in der Vergangenheit hätten die Gerichte Kinderlärm allerdings bereits überwiegend als sozial adäquat eingestuft.
Wobei laut Wild auch da zu differenzieren sei: „Wenn ein Baby aufwacht und schreit, ist sicher hinzunehmen, nicht aber, wenn ein Acht- oder Zehnjähriger abends in der Wohnung Fußball spielt.“ Letzteres ist für den Mietervereinschef durchaus als Missachtung elterlicher Aufsichtspflicht einzustufen.
In der Konfliktberatung des Mietervereins gibt es laut Wild pro Jahr 500 Fälle, in denen es überwiegend um das Thema Lärmbelastung geht. Mindestens noch mal so viele beschweren sich nach seiner Schätzung direkt bei ihrem Vermieter und drängen ihn, den Lärm abzustellen. Stoßrichtung des Gesetzes ist es nach Auffasung von Wild, öffentliche Einrichtungen für Kinder vor Klagen schützen. „Wenn sich da ein Nachbar über eine Kita beschwert, dann hat er auch bei Lärm in der Mittagszeit schlechte Karten: Denn das Immissionsschutzgesetz sieht keine Mittagsruhe mehr vor.“
Die Sprecherin der Umweltverwaltung, Regina Kneiding, sieht das ähnlich. Kinder sollten sich frei entfalten dürfen. „Aber das ist kein Freibrief“, sagte sie der taz. „Natürlich müssen Kinder auch künftig dazu erzogen werden, Rücksicht zu nehmen.“
Die CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus hatte die Gesetzesänderung in der jüngsten Plenardebatte als nicht hinreichend klar kritisiert. Sie hätte sich gewünscht, dass Lärm, der beim Lernen von Musikinstrumenten entsteht, im Gesetz ausdrücklich stärker gegen Klagen geschützt wird. „Handwerklich schlecht gemacht“, urteilte auch die FDP-Fraktion. STEFAN ALBERTI