: Fünf gegen die Freiheit?
Seit diesem Jahr hat Polen einen Rundfunkrat, der alle Fernseh- und Radiosender kontrolliert. Jetzt muss das Verfassungsgericht prüfen, ob diese Machtfülle noch demokratisch ist
AUS WARSCHAU GABRIELE LESSER
Polens Ombudsmann Andrzej Zoll hat dem von Staatspräsident Lech Kaczyński und der regierenden nationalkonservativen Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) durchgedrückten neuen Mediengesetz eine klare Abfuhr erteilt. „Das neues Mediengesetz schränkt die Pressefreiheit ein“, so Zoll – und reichte gegen das Gesetz über den Nationalen Rundfunkrat Verfassungsbeschwerde ein.
Medien und Macht sind in Polen ein heikles Thema. Über Jahre hatte sich die rechtspopulistische PiS beschwert, dass Radio und Fernsehen nicht objektiv über sie berichten würden. „Zu kritisch“ lauteten die Vorwürfe, „zu links“ sei das Programm. Schuld an der angeblichen Verzerrung ihres Images sollte die damalige Links-Regierung unter Leszek Miller sein.
Kaum hatte die PiS im vergangenen September die Parlamentswahlen gewonnen, änderte sie auch schon eines der wichtigsten Mediengesetze: Mit einer Eilabstimmung im Parlament schaffte sie die alte Medienaufsicht, den Rundfunkrat ab, entließ dessen neun Mitglieder und schuf einen neuen. Dieses nur noch fünfköpfige Gremium soll nun angeblich „demokratisch“ besetzt werden: Zwei Mitglieder wählen die Abgeordneten, zwei weitere bestimmt Staatspräsident Lech Kaczyński und ein fünftes die Senatoren. Für die PiS ist das praktisch, denn im Sejm, dem Abgeordnetenhaus, stellt die PiS zurzeit die stärkste Fraktion und kann sich auf populistische Mehrheitsbeschaffer wie die Bauernpartei Samoobrona und die nationalklerikale Liga der polnischen Familien verlassen. Im Senat, der zweiten Kammer des Parlaments, ist die PiS ebenfalls in der Mehrheit. Und damit auch gar nichts schief geht, stellt die PiS derzeit auch den Staatspräsidenten.
„Verfassungswidrig“, urteilt Andrzej Zoll. Denn der Rat beaufsichtigt nicht nur die gesamte Fernseh- und Hörfunklandschaft Polens. Er vergibt auch die Sendelizenzen an kommerzielle und die so genannten „gesellschaftlichen“ Programme, die meist eine religiöse Mission haben und eng mit der Kirche verbunden sind.
Eine neue Aufgabe des Rats soll nun aber der „aktive Schutz der journalistischen Ethik“ sein. Der Rat wird ausdrücklich ermächtigt, aktiv in die Berichterstattung einzugreifen, wenn sie nicht den „ethischen Prinzipien des Journalismus“ genüge. Tatsächlich griff die neue nationalkonservative Regierung bereits Anfang Januar das erste Programm des öffentlich-rechtlichen polnischen Fernsehens TVP massiv an. Die PiS warf dem Polens TV-Landschaft klar dominierenden Sender vor, die Entscheidung über den weiteren Verbleib der polnischen Soldaten im Irak „einseitig, emotional und aggressiv gegenüber der PiS-Regierung“ dargestellt zu haben. Denn die hatte den Irak-Einsatz trotz mittlerweile entgegengesetzter Stimmung im Volk nochmals verlängert.
„Die Aufgabe des Fernsehens ist nicht Hofberichterstattung, sondern Präsentation verschiedener Ansichten zu einem Thema“, konterte TVP-Intendant Jan Dworak. Vor der Gefahr einer von oben gelenkten Berichterstattung und möglicherweise sogar einer erneuten Zensur warnen auch die Verleger fast aller großen Zeitungen.
Doch die Kritik des Ombudsmanns am neuen Mediengesetz ist viel grundsätzlicher. Zoll beanstandet das mangelnde Demokratieverständnis der regierenden „Recht und Gerechtigkeit“-Politiker. „Der Verletzung des Gesetzgebungsprozesses darf in einem demokratischen Rechtsstaat nicht toleriert werden“, so Zoll in seinem Schreiben an das Verfassungsgericht. Denn das Mediengesetz ist im Eilverfahren beschlossen worden. Es haben weder eine öffentliche Anhörung noch breitere Diskussion stattgefunden. Es gab nicht einmal eine volle parlamentarische Debatte.
Zudem, so Zoll, verändere das Gesetz den Charakter einer öffentlichen Institution, wie sie der Nationale Rundfunkrat sei. Dass der Vorsitzende des formal weiter unabhängigen Gremiums nicht mehr von den Mitgliedern des Rates gewählt, sondern vom Staatspräsidenten ernannt und abberufen werden soll, sei ebenfalls verfassungswidrig. Damit werde der Rat zu einem Machtinstrument des Präsidenten.
Zoll kritisierte auch die Privilegierung des katholisch-nationalistischen Radios Maryja, das PiS viele Stimmen im Wahlkampf gebracht hat. Der Haussender der neuen polnischen Regierung gehört zu den so genannten „gesellschaftlichen“, also nicht kommerziellen Programmen, die keine Werbung schalten und allein von den Spenden ihrer HörerInnen oder öffentlicher Institutionen – hier der Kirche – leben. Mit dem neuen Mediengesetz will die PiS ihre „moralische Revolution“ in Polen vorantreiben und die Grundlage einer künftigen „IV. Republik“ bilden. In Polens geltender Verfassung ist allerdings der PiS-Grundsatz „Wer die Macht hat, hat die Medien“ nicht vorgesehen. Mit seinem Urteil könnte das Verfassungsgericht also das katholisch-moralische Einheitsprogramm in Polens Medien noch einmal kippen.