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Archiv-Artikel

Mullah Omars Stellvertreter

Abdul Ghani Baradar, der Vizechef der afghanischen Taliban, der nun von pakistanischen und US-Geheimdienstmitarbeitern festgenommen worden sein soll, hat sich nie stark in den Vordergrund gedrängt. Daher weiß man über den Mann, von dem Interpol glaubt, er sei 1968 geboren worden, nur sehr wenig.

Baradar war einer von vier Männern, die Mitte der 90er-Jahre die Taliban gegründet haben. In der Hierarchie soll er direkt hinter Mullah Omar, dem geistlichen Vordenker, stehen. Er soll einen festen Sitz in der Quetta-Schura, dem Führungsrat der afghanischen Taliban in Pakistan, gehabt haben.

Und er soll die Militärstrategie vor allem im Süden Afghanistans, wo seit wenigen Tagen US-geführte Truppen auf dem Vormarsch sind, ausgearbeitet und bestimmt haben. Zudem gilt Baradar als enger Vertrauter von Al-Qaida-Chef Ussama Bin Laden.

Bis zum Fall der Taliban Ende 2001 war Baradar Vizeverteidigungsminister des Taliban-Regimes. Er unterhielt damals noch vermutlich beste Kontakte zum pakistanischen Geheimdienst ISI. Seine Seilschaften dürften ihm damals auch geholfen haben, spurlos zu verschwinden und in Pakistan unterzutauchen.

Von dort hat er neue Geldströme aufgebaut, die schwer getroffene Gruppe neu organisiert und wenige Jahre später wieder nach Afghanistan in den Kampf geführt. Beobachter glauben, dass der unauffällige Mann spätestens 2009 zum De-facto-Anführer der Taliban aufgestiegen ist.

Entsprechend schwer dürfte seine Festnahme die Militanten treffen. In den vergangenen Jahren legte Baradar zudem die neue Taktik für die Taliban-Kämpfer fest: US-geführte Truppen nicht mehr offen anzugreifen, sondern mit Anschlägen und Guerilla-Angriffen zu schwächen.

Von Baradar stammt das Credo, das die Taliban bislang immer anbringen, wenn sie nach Bedingungen für Verhandlungen gefragt werden: dass erst die ausländischen Truppen Afghanistan verlassen müssten. In einem E-Mail-Austausch mit dem US-Magazin Newsweek wiederholte er 2009 diese Forderung und begrüßte die US-Truppenerhöhung. So könnten seine Kämpfer eine größere Zahl US-Soldaten töten. SASCHA ZASTIRAL