: Ein Glashaus für Bremerhaven
Das Land Bremen ist pleite, kann sich nichts mehr leisten. Bremerhaven schon: eine sieben Millionen Euro teure Glasbrücke etwa, zwischen Karstadt und dem geplantem Mediterraneo. Bezahlt wird auf Pump. Öffentlichkeitsarbeit? Der Magistrat empfiehlt: „Zurzeit nicht“
Bremerhaven taz ■ Alles wird großartig. Virtuell kann man schon jetzt die Bremerhavener Columbusstraße in einer gläsernen Brücke überqueren, um trockenen Fußes und direkt von Karstadt an den sonnigen Mittelmeerstrand („Mediterraneo“) zu gelangen. Im Internet ist die schöne neue Welt schon zu bestaunen. In Wirklichkeit sollen erst einmal 400 Tonnen Beton an der Fassade des Columbus-Center abgeschlagen werden, um Platz für eine gläserne Geschäfts- und Restaurant-Front zu schaffen. Von dort aus soll die gläserne Passage hoch über der Straße und dem Alten Hafen zur Gastro-Erlebniswelt „Mediterraneo“ führen.
„Baubeginn April 2006“, steht auf der Internet-Seite. Das waren wohl etwas zu ehrgeizige Planungen. Seit Monaten ist es eher still geworden um das Projekt; wenn die Finanzierung stehen würde, dann wäre das den Stadtentwicklern der BEAN, der Bremerhavener Entwicklungsgesellschaft Alter/Neuer Hafen sicherlich eine Jubelmeldung wert gewesen.
Weniger transparent als die Fußgängerbrücke soll die Finanzierung sein. „Öffentlichkeitsarbeit: Zurzeit keine“, steht in dem Magistratsbeschluss vom 17. Januar, der der taz vorliegt. 6,1 Millionen Euro soll die Brücke kosten und über einen Kredit finanziert werden. Schlichte Gemüter bezeichnen so etwas als „Investition“, aber da es für die Bauherren keinerlei Rendite gibt, wäre das Wort „Subvention“ eigentlich angemessen.
Die Zinsen für diese Subvention soll die Stadt Bremerhaven zahlen, steht in der Beschlussvorlage des Magistrats, und auf die Rückzahlung findet sich kein Hinweis. Ein blödes Malheur ist bei der Berechnung passiert: Mehrwertsteuern sind nicht berechnet worden. Das Finanzamt hat den Magistrat aber darauf hingewiesen, dass Vorsteuer-Abzüge nicht möglich sind, weil ja keine Erträge aus dem Glasbrückenbau zu erwarten sind, also wird die Mehrwertsteuer von rund einer Millionen Euro auch fällig. Auch für diese Mehrkosten hat der Magistrat die Ausfallbürgschaft übernommen. „Wieder ein neuer Schattenhaushalt“, stellt die Vorsitzende des Haushaltsausschusses der Bremischen Bürgerschaft, die Grüne Karoline Linnert fest. Die Summe taucht auf dem offiziellen Schuldenberg Bremens nicht auf, sie muss auch vom Haushaltsgesetzgeber gar nicht genehmigt werden.
Während für offizielle Schulden die verfassungsrechtliche Vorgabe gilt, dass ein Haushaltsnotlageland neue Ausgaben nur dann beschließen darf, wenn sie aufgrund gesetzlicher Bestimmungen oder unbedingt zur Sanierung der Staatsfinanzen erforderlich sind, scheint das für Schattenhaushalte nicht zu gelten. Noch in der vergangenen Woche stimmte die SPD-Fraktion für scharfe Beschlüsse zur Begrenzung des Investitionsvolumens. „Die AIP-Wunschlisten (Wunschlisten für das Anschluss-Investitions-Programm, d. Red.) der Ressorts sind gegenstandslos, auch Beschlossenes muss überprüft werden“, heißt es da. Dann aber folgt ein kleiner Satz, der Bremerhaven aus diesen Rentabilitätskriterien ausnimmt: Die „berechtigten Ansprüche Bremerhavens“ seien dabei „entsprechend zu berücksichtigen“. Alle wissen, was damit gemeint ist.
Die baupolitische Sprecherin der Seestadt-Grünen, Gerhild Engels, nimmt eine vollkommen isolierte Position ein. Im Bauausschuss will sie die Kosten für die Brücke und die Glasbrücke insgesamt ablehnen. „Hässlich“ sei das doch, sagt sie, eine „Plastikwelt“. Und über die Folgekosten des Glaswerkes habe auch noch niemand geredet.
Wie die Menschenmassen von Karstadt dann zu den Shops im Mediterraneo kommen sollen, falls das gebaut werden sollte? „Wie bisher auch, über die Straße“, sagt Engels.
Klaus Wolschner