: „Macher sind zu ängstlich“
Cordula Stratmann wird immer runder, lässt sich aber vom TV-Betrieb nicht verbiegen. Und spießtin „Der Lebensmitteltest“ heute in der „Schillerstraße“ aktuelle Skandale auf (20.15 Uhr, Sat.1)
INTERVIEW INA FREIWALD
taz: Frau Stratmann, die „Schillerstraße“ hat jede Menge Preise abgeräumt. Wieso gibt es in Deutschland nicht mehr neue, innovative Formate?
Cordula Stratmann: Die Macher sind einfach zu ängstlich. Sie zielen eben vor allem auf die Quote und die damit verbundenen Gewinne ab. Das bestimmt eher die Frage wirtschaftlichen Denkens und weniger der Erfindungsreichtum. Qualität und Vielfalt kann man aber leider nicht für die große Masse herstellen, da müssen dann die Spitzen abgeschliffen sein. Wenn ich einen Rock für hundert Frauen nähe, muss der einen glatteren Geschmack abdecken, als wenn ihn nur drei tragen würden. Aber ehrlich gesagt: Drei Zuschauer wären mir auch zu wenig.
Welche Sendung würden Sie trotz guter Quoten streichen?
Ich kann kein einziges Format mehr sehen, das eine Privatperson vor die Kamera zerrt und behauptet, sie entscheidet schon selbst, was sie sagt. Völliger Bullshit! Diese Leute können das Ausmaß der plötzlichen Öffentlichkeit gar nicht überblicken. Mir selbst passiert es mit meiner Medienerfahrung ja noch manchmal, dass ich hinterher denke: Das und das hätte ich besser anders gemacht. Ich habe gelernt, damit professionell umzugehen, aber nicht medienerprobten Menschen geht das ganz anders an ihre Würde. Auch diese Masse an Chart-Shows könnte ersatzlos verschwinden.
Denken Sie bei Ihren Spontan-Gags in der „Schillerstraße“ an Breitenwirkung?
Das könnte ich gar nicht. Ich denke bei dem, was ich dem Publikum anbiete, nie an den Erfolg oder Misserfolg, das würde jede Originalität töten. Abgesehen davon freue ich mich zwar sehr über unseren Erfolg, kenne aber auch einige Formate wie „Stromberg“, die weniger gucken und trotzdem sehenswert sind. Ich habe schon immer ein Problem mit der einfachen Sicht: „Die Masse gibt uns aber Recht.“ Ich finde, eine kleinere Zuschauergruppe hat eben auch das Recht auf gute Unterhaltung.
Wie erklären Sie sich den Einheitsbrei bei der Comedy?
Es ist zwar nicht sehr originell, als Deutscher über die Deutschen zu schimpfen, aber Selbstironie ist nicht gerade unsere Stärke. Es gibt Comedians, die mangels eigener funny bones anhand der hochbewunderten englischen oder amerikanischen Comedy-Literatur studieren, wie das Komischsein denn geht und wie man eine Pointe baut. Danach haben sie sich dann irgendwann eine Struktur draufgeschafft. Wenn Sie dann an den Lachern merken, aha, das funktioniert, gehen Sie damit einfach in die Wiederholungsschleife.
Warum hat es eigentlich der WDR nicht geschafft, Sie so groß zu machen wie Sat.1 ?
Ich liebe das öffentlich-rechtliche Fernsehen. Wenn es seinem Auftrag nachkommt, kann es in Ergänzung mit den Privaten eine gute Gesamtversorgung des Zuschauers schaffen. Warum allerdings die Künstlerpflege beim WDR, im Gegensatz zu Sat.1, scheinbar den vielen Kürzungen zum Opfer fiel – eine andere Erklärung hab ich dafür auch nicht –, das erfragen Sie doch bitte direkt beim Sender.
Haben es Frauen im Fernsehen grundsätzlich schwerer?
Na klar, wie in jedem Beruf. Frauen haben es schwerer. Sie machen es sich auch schwerer, weil sie ständig an sich zweifeln und nicht einfach mal sagen – wie so mancher Mann es völlig grundlos tut – „Okay, hier bin ich, das kann ich“. Andererseits machen Selbstzweifel auch interessanter.
Anke Engelke sprach von ihren Comedy-Kolleginnen als „Trockenpflaumen“ und konnte nur vier nennen, die sie schätzt. Eine davon waren Sie.
Es fällt mir nicht schwer, das Kompliment zurückzugeben.
Hat sie sich als Frau in der Nachfolge einer männlichen Ikone wie Harald Schmidt zu weit vorgewagt?
Absurderweise wurde sie als seine Nachfolgerin gehandelt, dabei hätte sie ihr eigenes Ding machen sollen, ein ganz eigenes Konzept entwickeln. Ein männlicher Kollege wäre mit diesem Erbschaftsgedanken auch nicht besser klargekommen.
Könnten Sie sich vorstellen, das ZDF würde nach der Ära Gottschalk für „Wetten, dass …?!“ eine Nachfolgerin ins Rennen werfen?
Nein, sicher nicht. Aber ich muss Ihnen gestehen: Das ist mir auch vollkommen wurscht. Ob eine Frau, ein Mann oder ein Hund diese Sendung übernimmt oder Gottschalk noch dreißig Jahre weitermacht, diese Frage treibt mich nicht sehr um. Ich bin die eine Zuschauerin, die diese Sendung gar nicht verfolgt, und wünsche allen Beteiligten aber weiterhin ungebremsten Spaß!
Ihre Schwangerschaft ist Ihnen schon deutlich anzusehen. Wäre es nicht nahe liegend, sie in die Handlung der „Schillerstraße“ einzubauen?
Das Team und ich haben uns dafür entschieden, dass das kein Thema ist, das wirklich gut in die „Schillerstraße“ passt. Es geht dort ja nicht um die Privatperson Cordula Stratmann, sondern um die gleichnamige Bewohnerin, deren Rolle ich spiele. Und diese Person entdeckt ihren Appetit und wird immer fetter.
Wer einfach nur zunimmt, sieht aber anders aus.
Deshalb trage ich in einen so genannten Fatsuit unter meinen Sachen. Der verschafft mir einen zweieinhalbfachen Durchmesser und ist höllisch heiß.
Wie lange können Sie noch drehen?
Wir produzieren auf jeden Fall genug Folgen bis zur Sommerpause. Danach hat die „Schillerstraße“-Cordula Stratmann dann eine Kur gemacht und etwas abgespeckt …