: Arcelor setzt auf das Prinzip Abschreckung
Der Stahlkonzern hat kaum Chancen, die Übernahme durch Mittal Steel abzuwehren. Aber er mobilisiert tapfer
BERLIN taz ■ Der Kampf um den Luxemburger Stahlkonzern Arcelor läuft planmäßig. Wenige Tage nach dem feindlichen Übernahmeangebot des Branchenführers Mittal Steel hat Arcelor-Vorstandschef Guy Dollé seine Truppen in Stellung gebracht und auch die Politik mit einbezogen. Die Übernahmegegner sitzen vor allem in Frankreich, Luxemburg und Belgien, wo die meisten Arcelor-Beschäftigten ihre Arbeitsplätze haben. Doch bei der Suche nach einer gemeinsamen Strategie ist bislang nicht mehr herausgekommen als die Losung „Alle mobilisieren“. Und das scheint zu bestätigen, was Branchenexperten von Anfang an sagten: Für Arcelor gibt es kaum eine Chance, die Übernahme abzuwehren.
Die aggressivste Abwehrmaßnahme wäre der Pacman: Arcelor geht in die Offensive und macht den Mittal-Aktionären ein Gegenangebot. Das ist wegen der Kapitalstruktur des Branchenersten völlig nutzlos: 85 Prozent von Mittal Steel gehören der Mittal-Familie. Das gleiche gilt für die Kronjuwelen-Strategie: Der Verkauf von Unternehmensteilen, um Arcelor uninteressant zu machen, wäre nur sinnvoll, wenn Mittal bloß an Einzelbereichen interessiert wäre.
So sucht Dollé nach einem weißen Ritter, also einem dritten – mit Arcelor befreundeten – Unternehmen, das sich auf einen Bieterstreit mit Mittal einlässt. „Eine Allianz in Europa scheint mir aus Wettbewerbsgründen schwierig“, sagt Dollé. In der Branche wird deshalb über Nippon Steel spekuliert. Die weltweite Nummer drei hat bereits ein strategisches Bündnis mit Arcelor. Und es wäre das einzige Unternehmen, das vom Börsenwert her mit Mittal Steel konkurrieren könnte. Fraglich ist allerdings, ob die Japaner genug Geld aufbringen könnten, um die Arcelor-Aktionäre zu locken.
Auch die Europäische Wettbewerbskommission bietet Arcelor wenig Hoffnung. Sie prüft nur, ob das fusionierte Unternehmen den Markt beherrschen würde. Mittal Steel und Arcelor arbeiten jedoch in so unterschiedlichen Bereichen wie einfachem Langstahl und Hightech-Produkten. Das Hauptproblem hat sich Mittal bereits im Vorfeld vom Hals geschafft: Die Tochter Dofasco, mit der der Konzern den Markt für Autobleche dominiert hätte, soll an ThyssenKrupp verkauft werden. Der Vertrag ist bereits unterschrieben.
So dürfte sich der Kampf auf dem Feld der Kommunikation entscheiden. Gelingt es Dollé und Co, die Öffentlichkeit oder die Aktionäre davon zu überzeugen, dass der Übernahmeversuch schändlich ist und wichtige Werte vernichtet? Frankreichs Wirtschaftsminister Thierry Breton hofft auf einen Erfolg wie den des US-amerikanischen Ölkonzerns Unocal. Als der im vergangenen Jahr vor einem feindlichen Angebot der chinesischen Gruppe CNOOC stand, gelang es ihm, nicht nur die Regierung, sondern auch die US-amerikanische Wirtschaft hinter sich zu versammeln. In diesem aggressiv-abweisenden Umfeld sahen die Chinesen keine Chance mehr und zogen ihr Angebot zurück. Der Unterschied zu der Mittal-Offensive ist allerdings, dass CNOOC vom chinesischen Staat dominiert wird. Unocal konnte mit der Sorge punkten, dass China die Kontrolle über die Energiemärkte bekäme. Mittal Steel dagegen ist ein Familienunternehmen. Der Vorstandschef gilt zwar als entschlossener Kapitalist. Dass er aber ähnliche Affekte auslöst wie die Chinesen, ist kaum anzunehmen. BEATE WILLMS