NEBEN ROSSMANN : Mann im Bademantel
Fup fährt für zwei Euro Taxi. Ich finde das sehr teuer. Früher hat ein Eis 10 Pfennig gekostet, und dieses Taxi fährt nicht mal irgendwohin, sondern schwankt nur hin und her. Zwei Euro, nur um in Ruhe auf dem Kotti vor Rossmann zu stehen und zu gucken, während Fup am Steuerrad sitzt und „Brmmmbrmmm“ macht, daran hätte ich im Traum nicht gedacht, als das Eis noch 10 Pfennig kostete.
Vor mir am Tisch des Döner-Ladens stehen zwei Bierflaschen. Eins ist schon angetrunken, das andere nicht. Ich wundere mich etwas. Wer lässt hier denn Bierflaschen stehen? Selbst leere werden doch nach kurzer Zeit von Flaschensammlern eingesammelt. Aber da kommt auch schon der rechtmäßige Besitzer. Er hat einen türkisen Bademantel an, schütteres Haar und ist schwerst alkoholisiert. Er raucht. Als sich unsere Blicke kreuzen, fragt er: „Dein Kind?“ Ich nicke. „Wo ist Frau?“ Ich zeige mit dem Daumen auf Rossmann. „Frau deutsch?“, fragt er. Ich sage: „Und deine?“ „Is aus Syrien. Ne Muslima.“ Dann zupft er an seinem Bademantel und sagt: „Waschmaschine!“ Dann zeigt er auf die Rückseite einer vorbeigehenden Frau und gibt mir bereitwillig Einblick in die Abgründe menschlichen Elends: „Immer rin in die Fotze.“ Der Betreiber des Döner-Ladens kommt und sagt dem Bademantelmann, dass er die Fliege machen soll. Der Bademantelmann steht auf und stakst davon.
Eine Stunde später sitze ich mit Fup vor dem Japaner an der Ecke Adalbert/Oranien und esse Sushi, als ich den türkisen Bademantel wiedersehe. Er geht in die Rote Rose, aber nach zehn Sekunden steht er schon wieder draußen. Er tapst in unsere Richtung, und ich gehe in Deckung. Aber schon fällt sein Schatten auf unser Sushi und seine rechte Hand stützt sich schwer auf den Biertisch. „Haste mal nen Euro? Hab heute Jeburtstag.“ Ich gebe ihm den Euro. Auch das war früher billiger. KLAUS BITTERMANN