: Voyeurismus halt
AUCH FUSSBALL Die als Erotik verkaufte Nacktfußball-EM für Frauen auf dem Messe-Gelände sorgte am Wochenende für Protest
SANDRA REICHERT, DEMO-INITIATORIN
VON SVENJA BEDNARCZYK
„Wir demonstrieren ja auch nicht gegen die Kirche oder den Frauenverein“, sagte ein Besucher der Nacktfußball-EM und suchte am Samstagnachmittag die Konfrontation mit den DemonstrantInnen vor der Messehalle. „Eure Ansichten sind aus dem 18. Jahrhundert. Die Frauen werden dazu nicht gezwungen.“
„Das ist eine Diskreditierung unserer aktuellen Europameisterinnen“, hielt Marlene Cieschinger, Bezirksverordnete der Linkspartei für Charlottenburg-Wilmersdorf, dagegen: „Gerade der Fußball der Frauen hatte Mühe, sich zu etablieren.“ Zusammen mit etwa 40 anderen DemonstrantInnen, die sich vor allem über Facebook auf dem Messegelände zusammengefunden hatten, protestierte sie gegen die „Erste Erotische Fußball-EM der Frauen“.
Deren Spielerinnen kommen aus dem Erotik- und Model-Business. Wichtigste Regel des Turniers: dass die Spielerinnen irgendwann nackt dastehen. Bei jedem Tor in den auf sieben Minuten angelegten Spielen sollte ein Kleidungsstück fällig sein. Zwischen den Spielen, die nur alle halbe Stunde stattfanden, sollten Stripshows das nicht unbedingt zahlreich erschienene Publikum unterhalten.
Die Performerin Celina Davis verstand den Protest nicht: „Wenn man Strippoker spielt, verunglimpft man ja auch nicht die ganze Pokerbranche. Die DemonstrantInnen betonten, dass sie auch nicht die einzelnen Frauen angreifen wollten, denen das Ausziehen Spaß macht. Dennoch: „Die gesamt Sexindustrie steht in der Tradition des Patriarchats“, sagte Claudia Spielmann, eine Protestteilnehmerin. Und dass weibliche Sexualität in der Gesellschaft immer nur passiv dargestellt werde. Als ob es nur darum gehe, den Mann zu erregen. Spielmann: „Die Frauen, die bei der Veranstaltung mitmachen, sind in dieser Gesellschaft aufgewachsen und Opfer davon geworden. Sie identifizieren sich mit der Rolle, die ihnen aufgedrängt wurde.“
„Hier werden Frauen zur Belustigung und Unterhaltung von Männern zur Schau gestellt und ihre Körper zur Ware reduziert, mit denen die Organisierenden Geld verdienen“, schrieb die Initiatorin des Protests, Sandra Reichert, in einem Facebook-Aufruf: „Eine klischeehafte Hetero-Männerfantasie wird bedient, um maximale Profite zu erzielen.“
Dem wollte der Veranstalter des Turniers, Dieter Wiebelt, durchaus zustimmen: Nackte Fußballspielerinnen bedienen „die Fantasie einiger Männer. Das zeige auch die Aufforderung zum Trikottausch, wenn Frauen Fußball spielen. Den Protest fand er positiv. Weil er dem Event Aufmerksamkeit bringe. Wiebelt betonte dazu, dass es sich um eine Show mit Fußballflair handele. Eine Inszenierung.
Frauenfeindlich sei die Veranstaltung seiner Meinung nach jedoch nicht. Wiebelt: „Es gibt auch Überlegungen, die Nackt-EM mit Herren auszurichten. Da sind sicher auch genug Frauen, die sich dafür interessieren. Und keiner würde einem da Männerfeindlichkeit vorwerfen.“
„Voyeurismus“, sagte Helena Baumeister, 25, sei ihre Motivation zum Besuch der Veranstaltung gewesen – als eine der wenigen weiblichen Zuschauer am Samstag in der Halle. Die Demonstrationen fand sie gut, auch wenn sie selbst die Kritik nicht teilen wollte: „Ich kenne genug Frauen, die in Sexclubs gehen und dort mit vielen Männern schlafen.“
„Wenn Frauen das privat machen, ist das deren Sache“, entgegnete Claudia Spielmann aufseiten der DemonstrantInnen. Aber hier stecke eine Industrie dahinter, die die Ausbeutung der Frau als Objekt fördere.
„Wir versuchen, ein Zeichen zu setzen, dass diese Tradition gebrochen wird“, sagte Claudia Spielmann. Und so eine Veranstaltung wie eben diese Nacktfußball-EM dürfe nicht unkommentiert bleiben.